Harte Debatte um CD-Kopierschutz
Der von der Musikindustrie eingeführte Kopierschutz auf CDs hat nach Einschätzung des CD-Miterfinders Philips "dauerhaft keine Chance".
Als Verwalter weltweiter CD-Patente könne Philips eigentlich die Hersteller von Kopierschutz-CDs verklagen, weil diese CDs nicht den Standards entsprächen, sagte Philips-Sprecher Klaus Petri heute der Nachrichtenagentur Reuters.
"Das sind Silberscheiben mit Musik drauf, die CDs ähneln, aber keine sind." Dennoch halte Philips eine Klage für unnötig. "Der Konsument wird die Sache selbst in die Hand nehmen, sodass der Markt das schneller regeln kann als die Gerichte", sagt Petri.
Ein gerichtliches Vorgehen lohne sich aber auch deshalb nicht, weil Urteile nicht vor dem Ablauf der Patente in diesem und im kommenden Jahr zu erwarten seien, sagte Petri. Der niederländische Konzern Philips hat vor rund 20 Jahren zusammen mit Sony die ersten CDs entwickelt und ist nun Patentverwalter mit weltweiten Lizenzrechten.
PhilipsUmsatzverluste
Nach Schätzungen der Musikbranche sind allein in Deutschland bereits Millionen kopiergeschützte Audio-CDs auf dem Markt, mit denen die Musikindustrie das private Brennen von CDs verhindern will. Die Branche macht das CD-Brennen für Umsatzverluste von mehr als zehn Prozent im vergangenen Jahr verantwortlich.
Doch Verbraucherschützern, Medienberichten und auch Philips zufolge häufen sich die Beschwerden über Probleme mit den geschützten Scheiben: "Man hat mit diesen CDs nicht mehr die Sicherheit, dass sie auf allen Geräten abgespielt werden können", sagte Philips-Sprecher Petri.
Eigentlich sei der Kopierschutz nämlich ein Wiedergabeschutz: Die in ihrer Struktur veränderten CDs sollten nach dem Willen der Musikindustrie nicht mehr auf Computerlaufwerken abspielbar seien, von denen aus sie auf CD-Rohlinge kopiert werden können. "Doch weil viele klassische Geräte der Unterhaltungselektronik ähnliche Laufwerke wie ein PC haben, gibt es Probleme vor allem bei tragbaren Geräten, bei Auto-CD-Playern, bei DVD-Abspielgeräten - aber auch bei klassischen CD-Spielern."
2001 war Jahr der CD-Kopierschutz-FeldversucheFreaks und Kids
Mit dem von der Musikindustrie gegen das CD-Brennen eingesetzten Kopierschutz werden nach Ansicht von Philips allerdings die "falschen Verbraucher" getroffen.
"Computer-Freaks und kopierwütige Kids" wüssten längst, mit welchen Programmen sie den Kopierschutz umgehen können, sagte Petri. Die so gebrannten CDs seien dann auch wieder auf allen Geräten abspielbar.
"Das führt zu der völlig absurden Situation, dass eigentlich erst kopiert werden muss, damit die Musik überall abspielbar ist."
Absurd sei auch, dass der "normale Konsument" getroffen wird, der gar nicht kopieren will. Wer aber eigentlich am Kopieren gehindert werden soll, den interessiere der Kopierschutz schon gar nicht mehr. Nachdem es in Großbritannien zu massenhaften Reklamationen gekommen sei, sei der CD-Kopierschutz dort schon kein Thema mehr, sagte Petri weiter. "Die Händler haben sich irgendwann einfach geweigert, solche CDs zu verkaufen." Der durchschnittliche CD-Käufer beschwere sich eher, als sich um Software zum Umgehen des Kopierschutzes zu kümmern. "Wir hoffen, dass die deutschen Konsumenten genauso mündig sind." In Großbritannien fanden sogar
Demonstrationen gegen den CD-Kopierschutz statt.Reaktion der ifpi
Der österreichische Branchenverband der Musikindustrie [ifpi] hat unterdessen auf die Äußerungen des Philips-Sprechers mit einem Statement gegenüber der FutureZone reagiert.
"Massenhaftes Kopieren von Musik, Filmen, Software usw. auf CD-Rs trifft den Lebensnerv der Kreativen und der Kreativwirtschaft. Der technische Kopierschutz¿ist die logische¿Antwort auf digitale¿Kopier-Technologien.
Internationale Abkommen¿und auch die Copyright-Richtlinie der EU eröffnen diese¿Möglichkeit zur Selbsthilfe durch technischen Schutz - auch wenn¿der Kopiergeräte-Hersteller Philips, der seine Musik- und Filmsparte abgestoßen hat, das nicht sehen will."
In Österreich wurden laut der ifpi bei etwa 21 Millionen verkauften¿Musik-CDs pro Jahr 1999 fünf Millionen CD-Rs mit Musik bespielt, im Jahr 2000¿neun Millionen und 2001 bereits 15 Millionen.
ifpi ÖsterreichNotwehrakt
Der Entwicklung beim CD-Brennen¿können laut ifpi "Künstler, Autoren, Komponisten und Produzenten nicht tatenlos zusehen". Technischer Kopierschutz ist demnach "geradezu ein Notwehrakt".
Kopierschutz-Cracks können laut der ifpi "kein Grund dafür sein, Kopierschutz a priori nicht einzusetzen".
"Auch im Handel gibt es trotz Einsatzes von Diebstahlschutz nach wie vor Ladendiebstahl, allerdings in einem weit geringeren Umfang. So verhält es sich auch beim Kopierschutz", heißt es in dem Statement weiter.
Schlussfolgerung des ifpi-Staements:
"Selbstverständlich müssen die¿Kopierschutz-Systeme ständig weiterentwickelt werden. Es wäre - vor allem auch im Interesse der Konsumenten¿- sinnvoll, wenn Kopierschutz nicht nur einseitig durch die Content-Industrie¿eingesetzt, sondern bilateral zwischen Content- und Hardware-Industrie abgestimmt würde. Dadurch könnten Probleme bei der Abspielbarkeit¿von vornherein ausgeschlossen werden."