Auch Outsourcing hat seinen Preis

Matrix Forum
23.04.2006

Nicht mehr Indien ist das Ziel von Outsourcing-Projekten, sondern China und Osteuropa. Doch die Vision der großen Kostenersparnis durch Auslagerungen gilt da wie dort nicht mehr.

Jeder in der IT-Branche kennt Bangalore. Jene Stadt in Südindien, in der schön langsam die Programmierer knapp werden. Das hebt auch den Preis.

Indien ist zu teuer

Und so ist es nicht verwunderlich, dass der Vorstandssprecher von SAP der "Financial Times Deutschland" vor kurzem sein Leid klagte: Indien werde zu teuer. Nun gewinnen China und Osteuropa an Attraktivität.

Im November letzten Jahres gab der russische Präsident Wladmir Putin bekannt, dass in Rußland fünf neue IT- Parks mit finanzieller Unterstützung der Regierung aus dem Boden gestampft werden sollen. Von St Petersburg bis Novosibirsk.

Niveau steht über dem Preis

Rußland, Polen, Rumänien und Ungarn werden immer öfter genannt, wenn Firmen über outsourcing oder offshoring, das Auslagern oder die Gründung von Tochterfirmen im Ausland nachdenken.

Diese Länder beherbergen überdurchschnittlich viele Mathematiker und das Niveau an den Universitäten ist hoch. Weniger das Argument "billig" steht heute bei den Überlegungen der Konzerne im Vordergrund, sondern der leichtere Zugang zu guten Universitäten und qualifizierten Fachkräften, sagt James Herbsleb.

Er untersucht als Soziologe an der "Carnegie Mellon University" die Konsequenzen der Auslagerung von Softwareprojekten.

Kontrolle aus der Ferne

Am meisten Probleme bereitet das Auslagern im Bereich der Koordination. Kommunikationsflüsse müssen generalstabsmäßig geplant werden, um Risiken zu minimieren.

Projektleiter, so Herbsleb, sind dazu übergegangen, von ihren verteilten Kollegen täglich Reports einzufordern. Das kostet zwar mehr Geld, aber es reduziert das Risiko.

Wenn zwei Gruppen an einer Software arbeiten, die über das Interface zusammengeschnürt werden soll, dann muss man auch sicherstellen, dass diese zwei Teile zusammenpassen. Um das zu gewährleisten, erhöht man die Anzahl der Prototypen. Auch hier fallen extra Kosten an, aber es reduziert wiederum das Risiko.

Kaum Spareffekte durch Auslagerungen

Kaum eine Firma hat sich im Endeffekt viel durch die Auslagerung erspart. Ständigen Kontrollen und Tests kosten Geld, genauso wie die Bemühungen, kulturelle und sprachliche Barrieren zu überwinden.

Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie hat outsourcing in den USA auch nicht wesentlich zur Reduzierung der Arbeitsplätze beigetragen: zwei bis drei Prozent sollen es gewesen sein, berichtet ACM, Association for Computing Machinery.

Outsourcing, so James Herbsleb hat seinen Reiz verloren. Die Vision, dass es für jeden möglich sein wird mit jedem von wo auch immer zusammenzuarbeiten war naiv und nur wenig durchdacht. Sie ist auch längst nicht mehr so beliebt wie einst.

Direkte Kommunikation fehlt

"Ich finde es faszinierend, dass man jetzt erkennt, wie schwierig es ist, in der Ferne zu arbeiten. Erst jetzt erkennt man den Wert von ganz einfachen Dingen, wie wir sie von der direkten Kommunikation kennen und die wir eigentlich nie wirklich geschätzt haben: Dinge wie Körpersprache, Gesichtsausdruck, gemeinsam zu Mittag zu essen. Die Bedeutung derartig einfacher Dinge in der Arbeitswelt hat man bisher unterschätzt. Wir erkennen erst durch die verteilte Softwareproduktion ihren Wert und müssen zugeben, dass unsere Vorstellungen von virtuellen Teams naiv war", so Herbsleb.

James Herbsleb räumt noch mit einem anderen Mythos auf: Die größten Schwierigkeiten gäbe es nicht unbedingt mit Kollegen in Bangalore, China oder Rußland, viel häufiger treten Probleme in jenen Teams auf, bei denen keine vermutet werden: nämlich bei der Zusammenarbeit von Teams aus den USA und England.

Heute 22:30 Uhr, im Ö1-Magazin matrix

Die Softwarewelt ist bereits mehr als 50 Jahre alt. Aus Garagenfirmen wurden Konzerne und aus Wunderkindern Programmiersklaven. Man nennt sie Commando Coder und Code Flicker. Wie es weitergehen soll mit Offshoring, Design und Code, das hat Mariann Unterluggauer Soziologen, Poeten und Programmierer gefragt.