Nächste Runde für Microsoft vs. EU

KArtellstreit
24.04.2006

Für Microsoft geht es seit heute vor Gericht nicht nur um viel Geld: Ein EU-Gericht verhandelt über die von der EU-Kommission verhängten Strafen.

Zwei Jahre nach dem EU-Rekordbußgeld von knapp 500 Millionen Euro stellt der Software-Konzern die Strafe vor dem europäische Gericht erster Instanz in Frage.

Zu Beginn der Anhörung am Montag wies Microsoft-Anwalt Jean-Francois Bellis Vorwürfe der Kommission zurück, Microsoft habe gegen Wettbewerbsrecht verstoßen, indem es sein Multimedia-Programm Media Player in Windows integriert und auf fast jedem Computer verfügbar gemacht habe.

Windows ohne Media Player nicht gefragt

"Ich werde zeigen, dass sich die EU-Kommission geirrt hat", so Bellis. Verbraucher profitierten von Verbesserungen bei Windows. Auch gebe es einen starken Wettbewerb bei audiovisuellen Computerprogrammen. Zudem habe bis heute kein einziger Hersteller einen Computer mit Windows ohne Media Player [XPN] ausgeliefert.

Bellis warf der Kommission schwere Fehler vor, wenn sie einen Rechtsverstoß darin sehe, dass Microsoft nicht von sich aus ein Produkt angeboten habe, das niemand wolle.

Die Richter stellten zunächst keine Fragen, allerdings veröffentlichten Microsoft-Gegner in einer Prozesspause eine Erklärung, in der sie die Argumentation zurückwiesen. Als XPN auf den Markt gebracht wurde, habe es bereits keinen bedeutenden Wettbewerb bei den audiovisuellen Programmen mehr gegeben, erklärten sie.

Zukunft des Wettbewerbs

Bei der bis Freitag angesetzten Anhörung werden auch Konkurrenten des US-Konzerns zur Sprache kommen.

Die Konfliktparteien sind sich in einem Punkt einig: Vor Gericht wird nicht nur über eine beispiellose Kartellstrafe der EU-Kommission verhandelt. Zur Diskussion stehen für alle Parteien zugleich die Zukunft von Innovationen und die Frage, wie weit sie vor Wettbewerbern geschützt werden dürfen.

Microsoft will Software nicht offen legen

Zudem klagt der US-Konzern gegen die Auflage, konkurrierenden Firmen Details über seine Server-Software offen zu legen. Wegen Nichtbefolgens dieser Auflage droht die Behörde mit einem Bußgeld von zwei Mio. Euro täglich.

EU-Kommission will hart bleiben

EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes hatte letzte Woche die harte Haltung der Kommission betont: "Microsoft muss seine Hausaufgaben machen", richtete sie bei einer Pressekonferenz beim informellen EU-Wettbewerbsrat in Graz dem US-Konzern aus.

Microsoft müsse seinen Mitbewerbern die Möglichkeit offenen Zugangs geben. Die Lage sei schon unter ihrem Vorgänger klar gewesen, so Kroes.

Verkaufsverbot für Windows Vista?

Ende März hatte die Kommission zudem mit dem Verkaufsverbot für das kommende Betriebssystem Windows Vista gedroht.

Microsoft müsse vor dem für Jänner 2007 geplanten Marktstart von Vista sicherstellen, dass die Software mit dem europäischen Wettbewerbsrecht übereinstimme, schrieb Kroes nach einem Bericht des "Wall Street Journal Europe" an Microsoft-Chef Steve Ballmer.

Kroes' Sprecher erklärte, die Kommission sei über die Microsoft-Pläne für die Internet-Suche besorgt.

Streit über Server-Schnittstellen

Laut EU-Entscheid muss Microsoft Daten über die Schnittstellen seiner Server-Software offen legen, um der Konkurrenz Chancengleicheit einzuräumen. Zudem muss Microsoft sein Betriebssystem auch ohne seinen Media Player anbieten.

In beiden Punkten ist Microsoft der Kommission inzwischen entgegengekommen, nach Überzeugung der EU-Kommission sind die Zugeständnisse aber "gänzlich ungeeignet", um die Auflagen zu erfüllen.

Microsoft will Unabhängigkeit

Als völlig inakzeptabel weist Microsoft seinerseits eine dritte Auflage der Kommission zurück, sich künftige Erweiterungen des Betriebssystems Windows vorab genehmigen zu lassen.

Das sei ein unmittelbarer Eingriff in die Produktpolitik, der das Streben nach nutzerfreundlichen Innovationen unzulässig behindere.

Urteil ist endgültig

Das EU-Gericht wird zunächst bis Freitag alle Standpunkte anhören. Bis es darüber entscheidet, ob es der Klage Microsofts gegen die EU-Entscheidung stattgibt, dürften Monate oder sogar noch einmal ein Jahr vergehen. Sein Urteil ist in der Sache endgültig. Eine Berufung ist dann nur wegen formaler Fehler möglich.

(apa | dpa | Reuters | AP)