Kritik an Roaming-Abzocke in Österreich

eu:
04.05.2006

Die heimische Mobilfunkbranche finanziert die günstigen Handy-Tarife durch Touristenabzocke bei den Roaming-Gebühren, so die Kritik der EU-Kommission. Schätzungsweise werden bis zu 30 Prozent der Umsätze mit Roaming-Einnahmen erwirtschaftet.

Im Kampf gegen hohe Roaming-Gebühren, also die Kosten die für Handy-Gespräche ins und im Ausland anfallen, hat die EU nun heftige Kritik an den österreichischen Mobilfunkern geübt. Die Kommission bekrittelt dabei konkret die Querfinanzierung der niedrigen Inlandstarife durch ausländische Touristen.

"So sehr wir uns in Österreich niedrige Handytarife wünschen, eine Umlage der Gebührenlast auf die Touristen ist dadurch aber nicht gerechtfertigt", sagte der Sprecher von EU-Telekomkommissarin Viviane Reding, Martin Selmayr, am Donnerstag.

Vergleich mit Brenner-Maut

Die Brüsseler Behörde sieht darin eine "grenzüberschreitende Diskriminierung" und damit einen Verstoß gegen EU-Recht. Der Sprecher von Reding verwies auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs [EuGH] gegen Österreich wegen unterschiedlicher Lkw-Mauttarife auf dem Brenner aus dem Jahr 2000.

Heimische Lkws, die auf den Teilstrecken Innsbruck - Schönberg, Innsbruck - Matrei und Matrei - Brenner unterwegs waren, hatten bis dahin in Summe weniger bezahlt als ausländische Laster, die die Gesamtstrecke nutzten. Der EuGH hatte das als "diskriminierend" verurteilt.

Bis 30 Prozent der Umsätze aus Roaming

Am österreichischen Fall würden "die Binnenmarktprobleme im Mobilfunkmarkt besonders offenkundig", so die Kommission. Außerdem würden auch die Österreicher oft ins Ausland reisen. Eine strengere Regulierung der Roaming-Gebühren würde daher auch den Österreichern nützen, betont man in Brüssel.

Österreichische Mobilfunkanbieter profitieren vor allem im Winter massiv von ausländischen Skitouristen. Die Schätzungen über die Umsätze aus Roaming in Österreich reichen bei den großen Handynetzbetreibern von 15 bis 30 Prozent der Gesamterlöse.

Reaktion auf Gorbachs Bedenken

Mit ihrer neuen Kritik reagiert die EU-Kommission auf Bedenken von Österreichs Vizekanzler und Infrastrukturminister Hubert Gorbach [BZÖ], der kürzlich vor zu starken Eingriffen in die europäischen Handytarife gewarnt hatte: Die Einkünfte aus internationalem Roaming würden schließlich "zu einem Gutteil" die nationalen niedrigen Tarife in Österreich ermöglichen.

Nicht nur die Hotels und Gastronomie, sondern auch die österreichische Telekomindustrie profitiere von ausländischen Gästen.

Eine Binnenmarktdebatte könnte sich massiv auf die billigen Handytarife in Österreich und auf die Infrastruktur-Investitionen im Land auswirken, sagte ein Sprecher Gorbachs damals.

Angleichung der Tarife

Die EU-Kommission hatte Ende März einen Verordnungsentwurf angekündigt, wonach der Mobilfunkkunde künftig auch im EU-Ausland jene lokalen und internationalen Gesprächstarife zahlen soll, die in seinem Heimatland gelten.

Passiv-Gebühren, die der Kunde derzeit zahlt, wenn er im Ausland angerufen wird, sollen wegfallen. Außerdem sollen die Betreiber für die Durchschaltung von Gesprächen auch intern Konkurrenten aus anderen EU-Ländern künftig nicht mehr verrechnen dürfen als nationalen Konkurrenten.

Die Kommission will damit nicht nur Handy-Telefonieren im EU-Ausland billiger machen, sondern auch einen EU-weiten Wettbewerb im Mobilfunk schaffen.

Mobilfunker laufen Sturm

Gegen die Pläne läuft nicht nur die heimische, sondern die gesamte europäische Mobilfunkbranche Sturm. Erst am Vortag hatte die internationale Branchenvereinigung, die GSM Association, ihre schweren Bedenken gegen die Neuregelungen in Brüssel vorgetragen.

Die EU-Kommission hält aber an ihren Plänen fest. "Wir werden nicht mehr viel umdenken", sagte der Sprecher. Mitte Juli will die Kommission konkrete Gesetzesvorschläge vorlegen.

EU-Parlament wartet auf Vorschläge

Unterdessen hat sich auch das EU-Parlament zu Wort gemeldet: Sollten die Mobilfunker freiwillig ihre Roaming-Tarife senken und Passiv-Gebühren abschaffen, wollen die Sozialdemokraten und Konservativen einen gesetzlichen Eingriff noch einmal überdenken.

Die bisherigen Vorschläge seitens der Mobilfunker seien aber "zu schwach und nur die übliche Verteidigung" gewesen.

(APA)