30.01.2002

EVERQUEST

Bildquelle: Sony

Virtuelle Ökonomie hängt Bulgarien ab

Ein Geschäftsmodell für Online-Spiele ist erst im Entstehen, doch durch ein populäres Online-Spiel ist laut einer Studie eines amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlers bereits jetzt eine virtuelle freie Marktwirtschaft entstanden, deren Pro-Kopf-Einkommen sich mit dem eines kleineren Landes vergleichen lässt.

Edward Castronova, außerordentlicher Professor der Wirtschaftswissenschaften an der California State University in Fullerton, veröffentlichte unlängst eine Studie über die wirtschaftliche Aktivität rund um das beliebte Online-Rollenspiel "EverQuest".

In "EverQuest" kontrollieren die Spieler Charaktere, die sich nach und nach Fertigkeiten aneignen und Besitz erwerben, mit denen ein reger Tauschhandel im Spiel herrscht und die auch für echtes Geld bei Online-Auktionshäusern wie eBay angeboten werden.

Bruttosozialprodukt pro Kopf von 2.226 USD

Nach Beobachtung von Tausenden abgeschlossenen Auktionen für "EverQuest"-Gegenstände [Charaktere, Waffen] und der spieleigenen Währung kam Castronova zu dem Schluss, dass die Spieler durchschnittlich 3,42 USD für jede Stunde verdienen, die sie im Spiel zubringen.

Zusammen weisen die Spieler einen Bruttojahres-Außenhandel von über fünf Millionen USD auf.

Wäre das "EverQuest"-Universum von Norrath ein echtes Land, würde das Bruttosozialprodukt pro Kopf 2.226 USD betragen - vergleichbar mit dem 77. Platz in der Rangliste der reichsten Länder der Welt zwischen Russland [2.250 USD] und noch weit vor Bulgarien [1.410 USD].

Eine Einheit der Währung in "EverQuest", den "Platinum Pieces", wird auf dem Devisenmarkt für 0,0107 USD gehandelt, höher als der Yen.

"Es ist eine stabile freie Marktwirtschaft mit hart arbeitenden, vermögenden Menschen ," meint der Wirtschaftswissenschaftler.

Geistiges Eigentum von Sony

Castronova sieht "EverQuest" aber auch als ein Beispiel für das Schiefgehen eines wirtschaftlichen Regulierungsversuchs.

Sony hatte den Spielern offiziell verboten mit "EverQuest"-Gegenständen außerhalb des Games für echtes Geld zu handeln, mit der Begründung, alle Gegenstände seien allein geistiges Eigentum von Sony.

Der offizielle Tauschhandel innerhalb des Spiels ist, nach Meinung von Castronova, jedoch so schwerfällig und teuer, dass sich die Spieler gezwungen fühlen, auch außerhalb des Spiels Geschäfte abzuschließen, in einem Kuba-ähnlichen System, in der der Dollar die offizielle Währung aussticht.