Deutscher Bundestag ohne Microsoft
Der Streit um die künftige Computerausstattung des deutschen Bundestages hat an Schärfe zugenommen.
Der Beauftragte für Neue Medien der SPD-Fraktion, Jörg Tauss, warf Microsoft am Mittwoch in einem offenen Brief an Bundestagspräsident Wolfgang Thierse [SPD] eine "massive Einflussnahme" auf die parlamentarische Entscheidung für oder gegen Linux im Bundestag vor.
"Inakzeptabler Umgang"
"Vielleicht ist Microsoft in den USA einen solchen Umgang mit den
Parlamentariern gewöhnt. Ich akzeptiere ihn für hiesige Verhältnisse
nicht", erklärte der Karlsruher SPD-Abgeordnete, der den Einsatz des
offenen Betriebssystems Linux im Bundestag favorisiert.
IBM und SuSE für Linux
Im Bundestag ist derzeit auf rund 5.000 Bürorechnern das ältere Microsoft-System Windows NT 4 installiert, für das in absehbarer Zeit die technische Unterstützung durch den Hersteller ausläuft.
Seit mehreren Monaten läuft im Parlament eine interne Debatte, ob der Bundestag künftig Rechner mit dem neuen Windows XP angeschaffen oder ob das offene Linux-System eingesetzt werden soll.
Der Computerkonzern IBM bemüht sich zusammen mit dem Linux-Spezialisten SuSE um den Auftrag.
Initiative "Bundestux"
Gegen den Einsatz von Microsoft-Programmen hatten sich mehrere
Abgeordnete aller Fraktionen zu einer Initiative "Bundestux"
zusammengeschlossen - darunter Ernst-Ulrich von Weizsäcker [SPD],
die Internet-Beauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Martina
Krogmann, sowie Margareta Wolf [Grüne], Parlamentarische
Staatssekretärin beim Bundeswirtschaftsministerium.
Initiative "Bundestux"
Microsoft: "Microsoft nicht undemokratisch"
Gegen diese Initiative hatte sich der Chef von Microsoft Deutschland, Kurt Sibold, gewandt: Wenn der Bundestag Microsoft-Produkte einsetzen wolle, sei das keine undemokratische Entscheidung.
Sibold wertete die Petition der Linux-Befürworter als eine öffentliche Diskriminierung der Microsoft-Produkte.
"Wie meine 1.300 Mitarbeiter in Deutschland sich bei solchen Anschuldigungen fühlen, habe ich über zahlreiche E-Mails bereits erfahren", hieß es in dem offenen Brief.
Open Source: Sicherheitspolitische Vernunft
Tauss meinte nun, die Auswahl eines Softwareprodukts habe zwar
zunächst nichts mit demokratietheoretischen Erwägungen zu tun: "Eine
demokratische Pflicht, Open-Source-Software einzusetzen, besteht
also keineswegs. Aber die wettbewerbspolitische, standortpolitische,
haushaltspolitische und sicherheitspolitische Vernunft weist
vermehrt in diese Richtung."
Jörg Tauss [SPD]