Lobby-Match um Roaming-Tarife

16.05.2006

Während EU-Kommissarin Viviane Reding auf einer radikalen Senkung der Handy-Auslandstarife in Europa beharrt, wehrt sich der Branchenverband GSMA und bearbeitet andere Mitglieder der EU-Kommission. Europas Mobilfunkern würden dadurch jährlich 2,3 Milliarden Euro an Gewinn entgehen, wird geklagt.

Die Frist für Stellungnahmen der europäischen Mobilfunkbetreiber lief am Freitag ab, das Lobbying der nicht eben brustschwachen Branche hat in Brüssel einen vorläufigen Höhepunkt erreicht.

Nachdem man sich an der zuständigen Kommissarin Reding während der letzten Monate die erste Garnitur Zähne ausgebissen hat, bearbeitet die Mobilfunk-Lobby nun verstärkt die anderen Mitglieder der EU-Kommission.

Mandelson, Verheugen, Kroes

Ein Einwirken auf Reding und Kommissionspräsident Jose Manuel Durao Barroso erhofft sich die Mobilfunkindustrie vor allem von drei Mitgliedern der Kommission, schrieb der britische "Guardian" am Montag.

Das Lobbying konzentriere sich auf die Kommissare Peter Mandelson [Handel], Günter Verheugen [Wirtschaft] und Neelie Kroes [Wettbewerb], die bekannt sind, stets ein offenes Ohr für die Interessen der Industrie zu haben.

2,3 Milliarden weniger Gewinn

Ähnliches berichtet auch der britische Branchendienst Telecoms.com, der einen nicht benannten Sprecher der GSMA [GSM Association] zitiert: Man bearbeite einzelne Kommissare, um ihnen beizubringen, dass Regulation nicht der richtige Ansatz sei.

Am Montag hatte die GSMA in Brüssel erneut erklärt, die Betreiber müssten ihre Preise für Handytarife generell um mehr als sieben Prozent erhöhen. Die geplante Richtlinie der Kommission würde europaweit den Umsatz um 4,3 Milliarden Euro und den Gewinn um 2,3 Milliarden Euro schmälern, klagt die GSMA..

Angesichts der drohenden Regulierung hatten vor allem die Branchengrößen ihre Preise in den letzten Wochen verschiedentlich etwas gesenkt, die GSMA verkauft das als Triumph des Wettbewerbs.

Roaming, verlustreich

Gespräche ins Ausland müssten manche Mobilfunker gar "bis zu 19 Prozent unter ihren Kosten anbieten", der Gewinn einiger Telefonfirmen könne deshalb um bis zu 20 Prozent einbrechen.

Dass diese Roaming-Verlustrechnung des Branchenverbands allerdings leicht einseitig ausgefallen ist, zeigt ein Blick auf die Roaming-Angebote großer internationaler Betreiber wie Vodafone, Telefonica, Teliasonera und T-Mobile, die in und über Europa hinaus eigene Netze in anderen Ländern betreiben.

T-Mobile, interne Calls

Laut aktueller Tarifliste von T-Mobile Österreich kostet allein die Weiterleitung eines Anrufs von einem T-Mobile-Handy in Österreich auf ein österreichisches T-Mobile-Handy in Deutschland zwischen 40 und 55 Cent Passivgebühren für den Angerufenen.

Umgekehrt kostet ein Anruf zwischen 1,19 und 1,29 Euro, was angesichts dessen, dass sich das gesamte Telefoniegeschehen im Netz ein- und desselben Betreibers abspielt, nicht wirklich günstig zu nennen ist.

Vodafone

Um die Roaming-Tarife auf der Website des britischen Mobilfunkriesen Vodafone überhaupt zu finden, bedarf es längeren Suchens. Dann bietet sich auch hier ein ähnliches Bild:

Ein Anruf von einem britischen Vodafone-Handy auf ein britisches Vodafone-Handy im Netz von Vodafone Deutschland und umgekehrt kostet jeweils 75 britische Pence, also fast genau einen Euro pro Minute. Eine SMS wird mit umgerechnet 73 europäischen Cent vergebührt, was ebenfalls kein Schnäppchen ist.

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Reding gab sich noch am Freitag entschlossen, ihren bisherigen Standpunkt beizubehalten.

Über ihren Sprecher ließ sie ausrichten, sie werde der EU-Kommission Mitte Juli eine Verordnug vorlegen, wonach Handynutzer künftig auch im EU-Ausland genau jene lokalen und internationalen Gesprächstarife zahlen sollen, die in den jeweiligen Heimatländern gelten.

(futurezone | Reuters)