19.02.2002

DIGITAL RIGHTS

Bildquelle: orf on

E-Mails mit Verfallsdatum

Im Büroalltag ist es eine ernsthafte Herausforderung, vertrauliche Dokumente über ein schief gelaufenes Geschäft oder ein streng geheimes, aber gescheitertes Projekt wiederzubekommen und anschließend zu vernichten.

In der Regel bleibt kein andere Weg, als ehemaligen Geschäftspartnern schlicht zu vertrauen oder auf illegalem Weg zu versuchen, wichtige Dokumente zurückzuerlangen.

E-Mails verändern diese Regeln jedoch und könnten sie dank "virtueller Schredder" und DRM-Systeme [Digital Rights Management] auch brechen.

Inzwischen können Absender schon mit einer ganzen Reihe von Tools Mitteilungen ferngesteuert oder sogar automatisch "zerstören" lassen, ohne dabei die Erlaubnis oder Mitarbeit des Empfängers zu benötigen. Somit können Absender die volle Kontrolle über die Verbreitung ihrer "Werke" bekommen - sofern das DRM-System nicht wieder umgangen wird.

Nachrichten verschlüsseln

Noch sind die Schredder- und DRM-Technologien für E-Mails wenig gebräuchlich, das Interesse wächst jedoch stetig, vor allem im Medizin- und Finanzbereich.

Auch der Kartellprozess gegen Microsoft, bei dem wiederhergestellte, vorher gelöschte E-Mails von Microsoft-Mitarbeitern über den Rivalen Netscape zu wichtigen Beweisstücken wurden, spornte das Interesse an.

Der wachsende Gebrauch von E-Mails in Geschäftsangelegenheiten lässt aber auch die Frage aufkommen, wie man seine E-Mails aufbewahren und, wenn man will, später dauerhaft löschen kann, ohne mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten.

Authentica und andere Unternehmen haben daher Online-Schredder-Systeme entwickelt, welche die Mitteilungen verschlüsseln und nur limitierten Zugriff auf den Key gewähren, mit dem man die Botschaft wieder entschlüsseln kann.

Um die E-Mail auch ganz "verschwinden" zu lassen, kann der Zugriff auf den Key nach einer vorher festgelegten Zeitspanne aufgehoben werden.

Juristische Grauzone

Größtenteil ist es gesetzlich erlaubt, regelmäßig Akten zu vernichten, solange es nicht auf Grund eines besonderen Vorfalls, sondern kontinuierlich geschieht. Doch manche Dokumente wie Steuerbescheide müssen per Gesetz eine längere Zeitspanne aufbewahrt werden. Unklar ist, was passieren wird, wenn der Absender eines Dokuments ein 30-Tage-Limit setzt, der Empfänger die Nachricht jedoch per Gesetz länger aufbewahren müsste. Je ausgereifter die digitale Technik wird, desto mehr juristische Grauzonen tauchen auch auf.

Kopieren und Drucken unmöglich

Viele der Schredder-Dienste beschränken gleichzeitig die Nutzungsrechte an den E-Mails. Sie verhindern zum Beispiel ein Weiterleiten, Kopieren oder Drucken der Mitteilung. Auch ein Screenshot soll unmöglich sein.

Diese DRM-Tools arbeiten auf derselben Basis wie der Kopierschutz für Musik, Film und E-Books.

Bildschirm abfotografieren

Doch selbst eine wirklich ausgereifte DRM-Software, die ein Drucken und Kopieren wirkungsvoll unterbindet, kann niemanden daran hindern, den Bildschirm einfach mit einer Kamera zu fotografieren oder die Nachricht händisch abzuschreiben.

Limitiert man den Zugriff auf seine E-Mails dagegen ganz offen, zeigt das dem Empfänger, wie wenig man ihm vertraut, was wiederum vielen [Geschäfts-] Beziehungen schaden kann.

Privacy-Experten meinen daher, dass der einzig sichere Weg darin besteht, besser aufzupassen, was man in einer E-Mail schreibt, als im Nachhinein zu versuchen, die Mitteilung mit allerlei "Gimmicks" wieder zu finden und zu zerstören.