Generationswechsel bei Microsoft
Die Reaktionen auf Bill Gates' Ankündigung, sich nach 31 Jahren aus dem Tagesgeschäft bei Microsoft zurückzuziehen, sind verhalten. Noch ist nicht klar, welche Auswirkungen Gates' Rückzug auf das Gebaren des Software-Konzerns hat, dafür bekommt die Führungsriege frische Gesichter.
"Bill Gates mag die Verantwortung für das Tagesgeschäft abgeben, er wird sich aber niemals ganz von Microsoft zurückziehen", sagte Anthony Sabino, Wirtschaftswissenschaftler an der St.-Johns-Universität.
Die Microsoft-Aktie reagierte auf Gates' Ankündigung ebenfalls kaum und verlor nachbörslich lediglich neun Cent auf 21,98 Dollar. In Frankfurt wurde die Aktie am Freitagvormittag in einem freundlichen Marktumfeld 0,8 Prozent über dem Vortageswert gehandelt.
Gates' Rückzug auf Raten
Microsoft-Chef Steve Ballmer trat nach der Erklärung von Gates offensiv auf und kündigte im Sinne seines Vorgängers ein kräftiges Wachstum in den kommenden Jahren an. "Wir werden seine Vision, im Großen zu denken und noch größer zu handeln, fortsetzen."
In einem E-Mail an die Mitarbeiter lässt Ballmer durchblicken, dass über eine Umformierung der Microsoft-Geschäftsführung bereits seit Jahren nachgedacht wird. Die Bemühungen, die Firmenführung zu erweitern und Aufgaben zu delegieren, um für die Zukunft besser gerüstet zu sein, seien auf einem guten Weg, so Ballmer.
Die Konzernführung hatte Gates, dessen Vermögen auf rund 50 Milliarden Dollar geschätzt wird, bereits vor mehr als sechs Jahren an Ballmer abgegeben und für sich selbst den Posten des Chef-Software-Architekten geschaffen.
"Diese Entscheidung war sehr schwer für mich", so Gates bei der Ankündigung seines Rückzugs. "Diese Veränderung bedeutet aber keineswegs den Ruhestand, es ist viel mehr die Neuordnung meiner Prioritäten." In Zukunft will sich Gates starker als Philantrop betätigen.
Ozzie und Mundie "beerben" Gates
Als Chef-Entwickler löst Gates nun der 50-jährige Ray Ozzie ab, der dem Konzern vor einem Jahr beigetreten ist. Er wird [vorerst zusammen] mit Gates das gesamte Programm-Design überwachen.
"Er hat sicher Erfahrung und den Respekt der Branche, aber er wird nicht die Rolle von Bill Gates übernehmen können", meint Analyst Matt Rosoff. "Denn als Konzerngründer hat Bill Gates eine Art moralische Autorität, die kein anderer haben wird."
Craig Mundie arbeitet ab sofort als Leiter der Forschungs- und Strategie-Abteilung mit Gates in diesen Bereichen zusammen. Mit dem Chefjuristen Brad Smith leitet Mundie zudem die Microsoft-Aktivitäten bezüglich Urheberrecht und Technologie-Politik.
Gates, Mundie, Ozzie, Ballmer
Ozzie schrieb einst Lotus Notes und ist seit der Übernahme seines Unternehmens Groove Networks durch Microsoft im April 2005 bei Microsoft. Vor seiner Beförderung war er Chief Technical Officer bei Microsoft.
Umbruchphase für Microsoft
Microsoft muss künftig in einer schwierigen Umbruchphase ohne die täglichen Impulse von Bill Gates auskommen. Der Software-Gigant tut sich derzeit schwer damit, auf neue Herausforderungen zu reagieren.
Wettbewerber wie Google erobern den virtuellen Schreibtisch auf dem PC. Open Source Software wie Linux bereitet Microsoft zumindest im Bereich der Server-Computer größere Probleme. Mietsoftware-Firmen wie Salesforce.com, die Programme über das Internet bereithalten, stellen das traditionelle Vertriebssystem von Microsoft in Frage.
Gleichzeitig stößt auch Microsoft selbst in immer neue Geschäftsfelder vor, wie etwa zuletzt mit der Spielekonsole Xbox.
Kostenlose Welt nichts für Gates?
"Bill Gates war ein hervorragender Player in einer Welt, als Software noch in einer Schachtel steckte und man riesige Gewinne erzielen konnte", meint George Colony vom Marktforscher Forrester Research.
"Ich glaube, es ist sehr schwer für ihn, eine Strategie für eine Welt zu entwickeln, in der alles kostenlos angeboten wird."
Gates hatte die Software-Firma 1975 zusammen mit Paul Allen gegründet. Mit den Hauptprodukten Windows und Office führte der Studienabbrecher Microsoft in den achtziger und neunziger Jahren an die Spitze der Softwarebranche, bevor er im Jahr 2000 die Leitung des Konzerns an seinen Freund Steve Ballmer abgab.
Gates würde nichts ändern
Gates selbst glaubt an die Wandlungsfähigkeit Microsofts: "Ich glaube, dass Microsoft diesen Übergang bewältigen kann, ohne eine Entwicklung zu verpassen." Microsoft sei für den künftigen Erfolg gut aufgestellt.
Er würde zudem nichts ändern, was er die letzten 30 Jahre gemacht hat. "Ich habe so einen faszinierenden Job. Klar, wir haben Fehler gemacht, aber jeder war eine Chance daraus zu lernen und Dinge besser zu machen. Das ist die interessanteste Firma, das beste Set aus Geschäfts- und Technileuten. Ich würde nichts ändern", so Gates.
"Das Ende einer Ära"
Branchen-Beobachter erwarten dennoch erhebliche Auswirkungen auf den Software-Giganten. "Gates und Microsoft sind Synonyme", meint Tim Boyd, Analyst bei Caris & Co. "Das ist ein Hinweis darauf, dass Microsoft künftig ein ganz anderes Unternehmen sein wird."
"Bill und Paul Allen, - aber insbesondere Bill - haben die moderne Software-Industrie erfunden", sagte Rob Glaser, Chef von RealNetworks Inc. "Das ist das Ende einer Ära."
(Reuters | dpa | APA | AP)