Von der Suchmaschine zur Machtmaschine

GOOGLE PRINT
26.11.2005

Während Google als "MTV für Bücher" mit der "Book Search" die Vision des allumfassenden Bücherkatalogs digital umsetzen will, sehen Kritiker eine Info-Allmachtsfantasie eines US-Konzerns und warnen vor der Gefahr der Abhängigkeit.

Googles erklärtes Missionsziel ist bekanntlich, "alle Infos dieser Welt" online zugänglich und durchsuchbar zu machen.

Nach den Online-Inhalten widmet sich der Suchmaschinen-Betreiber daher der Indexierung des offline verfügbaren Wissens.

Bei dem Projekt "Google Book Search" [vormals "Google Print"] sollen alle jemals veröffentlichten Bücher eingescannt und im Volltext durchsuchbar gemacht werden. Der Nutzer soll die Bücher online entdecken, Auszüge einsehen und über Kaufmöglichkeiten erfahren, aber dann offline lesen.

Abhängigkeit von einem US-Konzern

Während Google die Initiative als Marketing-Chance für die Verlage sieht, fürchtet die Buchbranche die Abhängigkeit von einem Konzern und warnt davor, die Zukunft des Informationshandels in die Hand eines US-Unternehmens zu geben.

Über die Google-Buchsuche sind je nach Copyright des Buchs die Grundinfos [Titel, Autor etc.], einzelne Seiten [bis maximal 20 Prozent des Buches], die passend zum Suchbegriff ausgegeben werden, oder das ganze Buch [bei Werken ohne Copyright] lesbar. Das Drucken, Copy&Pasten sowie das Abspeichern der Texte ist generell nicht möglich.

Kostenlos für alle - noch

Ziel von Google Book Search sei den Zugang zu Kulturgut zu erleichtern und mehr Bücher zu verkaufen, so Jens Redmer, Projektleiter des Print-Projekts in Europa, bei der "Semantics"-Konferenz.

Es entstünden keine Kosten für Verlage, Bibliotheken und Nutzer, sämtliche Investitionskosten trage Google.

Täglich würden bereits Hunderttausende Buchseiten pro Tag in der hauseigenen "Scanfabrik" in Kailfornien digitalisiert. Auch internationalen Werke würden dafür aus aller Welt in zahlreichen Sprachen angeliefert.

Mit dem Argument des "Fair Use" scannt Google die Bücher auf eigene Faust zu hundert Prozent ein, ohne die Einwilligung der Rechteinhaber einzuholen. Die Association of American Publishers [AAP] hat bereits Klage wegen Copyright-Verstoßes eingereicht.

"Haben Angst vor Google"

Doch die Verlage zweifeln abseits von Copyright-Bedenken am edlen Ansatz des Suchmaschinen-Betreibers.

"Wir haben Angst vor Google", erklärte Mathias Ulmer vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der an einem eigenen Digitalisierungsprojekt arbeitet. Auch "wenn der Verführer einen freundlich anlächelt, sollte man auf der Hut sein".

Marktmacht als Druckmittel

Zwar sei Google als Marketing-Instrument unumstritten, doch mit der Marktmacht begäben sich die Verlage in eine kommerzielle Abhängigkeit von dem US-Konzern. So könnte Google eines Tages beschließen, Gebühren für die Listung in seinem virtuellen Katalog einzuheben oder das eingescannte Material auf irgendeine Art und Weise zu vermarkten.

Verweigert der Verlag dann seine Zustimmung dafür, könnten der Konzern die Buchverlage damit unter Druck setzen, seine Produkte sonst schlicht aus dem Katalog zu werfen. Diese wären von da an für die Öffentlichkeit unsichtbar, fürchten Kritiker.

Niemals alle Bücher gescannt

Max Kaiser von der Österreichischen Nationalbibliothek warnte generell davor, davon auszugehen, dass irgendwann alles digital zu finden ist. Es könnten niemals alle Bücher gescannt werden, und dieser Teil der Werke würde so völlig in Vergessenheit geraten - wären also quasi nicht mehr existent.

Google ist seit geraumer Zeit die meistgenutzte Suchmaschine weltweit.

"Wollen nicht die Weltherrschaft"

Natürlich sei man kein Wohlfahrtsunternehmen, man profitiere von Werbeeinnahmen und der qulitativen Verbesserung der eigenen Suchergebnisse, räumt Redmer sein.

Auch den kommerziellen Ausbau des Services schließt er nicht aus, man sei aber nicht an der "Weltherrschaft" bzw. dem Verkauf der Inhalte interessiert, sondern sehe sich lediglich in der Rolle des Vermittlers.

"MTV für Bücher"

Google Print sei eine Art "MTV für Verlage", das zu Programmstart ebenfalls umstritten war, jetzt aber für die Plattenindustrie nicht mehr wegzudenken sei.

"Don't be evil!"

Bei dem Börsengang im Ausgust 2004 hat Google "Don't be evil!" zu seinem Leitsatz auserkoren.

Vielfalt muss sein

Grund für Endzeitstimmung in der Buchbranche sehen die Experten trotz aller Bedenken nicht.

Denn die Kritiker sind sich einig, dass diese neue Zentralisierung Gegeninitiativen hervorrufen wird - wie in anderen Bereichen wie der Softwareindustrie mit Open Source bereits geschehen - die der Marktmacht von Google gegensteuern werden.

Wichtig sei die Vielfältigkeit der Angebote, damit man keine Abhängigkeit schaffe und sich von einem Projekt zurückziehen kann, wenn man mit dem Geschäftsmodell nicht einverstanden ist, so Ulmer.

Microsoft unterstützt "Open Access"

Neben "Google Book Search" und lokalen Projekten wie dem des Deutschen Buchhandels überlegt auch die Europäische Kommission derzeit einen europäischen Digitalisierungsansatz.

Und mit der "Open Content Alliance", an der etwa Yahoo, Microsoft, Adobe und Hewlett Packard beteiligt sind, ist auch eine US-Alternative im Bereich des "Open Access" im Entstehen.

(Beate Zaussinger)