Bei Microsoft ist der Wurm drinnen

Strategie
30.06.2006

Wegen Qualitätsproblemen bringt Microsoft sein Büro-Software-Paket Office 2007 erst Ende 2006 auf den Markt. Auch das Betriebssystem Windows Vista könnte somit später auf den Markt kommen - ein schwerer Schlag für Microsofts Image und Bilanz.

Mit der neuerlichen Verschiebung versäumt Microsoft nicht nur das wichtige Weihnachtsgeschäft, die unzähligen Verzögerungen seit nunmehr über drei Jahren dürften auch dem Image des Software-Konzerns und seiner Produkte nicht sonderlich nutzen.

Office erst ab Ende 2006

Geschäftskunden könnten Office 2007 nun voraussichtlich Ende 2006 statt wie ursprünglich geplant bereits im Herbst erhalten, teilte Microsoft mit. Für Privatanwender soll Office 2007 erst Anfang 2007 zur Verfügung stehen.

Zur Begründung hieß es, die Testphase zur Qualitätssicherung des Produktes sei noch nicht abgeschlossen. Einige Funktionen der neuen Software arbeiteten noch nicht so schnell, wie sie sollten. "Wir fühlen uns aber verantwortlich, die bestmögliche Software auszuliefern", so Microsoft.

Konsequenzen für Windows Vista?

Über Konsequenzen für die ebenfalls bevorstehende Markteinführung des Betriebssystems Vista denke man noch nach, teilte Microsoft weiter mit. Bisher wollte der Konzern beide Produkte gemeinsam auf den Markt bringen - um die Kunden nicht zu verwirren.

Ursprünglich sollte Office 2007 im letzten Quartal dieses Jahres auf den Markt kommen, Vista war überhaupt schon für 2004 projektiert.

Nachdem aber Windows Vista verschoben wurde, wurde auch Office verschoben - damals hieß es dazu, man habe sich entschieden, beide Produkte gemeinsam auf den Markt zu bringen.

Verschiebung von Vista erwartet

Citigroup-Analyst Brent Thill rechnet damit, dass Microsoft bald auch eine Verschiebung von Vista bekannt geben wird. "Das Risiko ist, dass diese andauernden Verschiebungen auf Qualitätsprobleme hindeuten könnten, die Unternehmen und Konsumenten von einem frühzeitigen Kauf abhalten könnten", so Thill in einer Kundenmitteilung.

Dagegen hält Analyst Joe Wilcox von Jupiter Research die Office-Veschiebung für nicht so dramatisch. Die meisten Unternehmen planten wahrscheinlich sowieso nicht, das Programm vor Jahresende einzuführen. Allerdings könnte das Image von Microsoft Schaden nehmen. "Microsoft scheint nicht in der Lage zu sein, seine eigenen Fristen einzuhalten", sagte Wilcox.

Aus für Vista-Feature WinFS

Erst Anfang der Woche wurde bekannt, dass Microsoft das eigentlich "Revolutionärste" an Windows Vista, das neue Dateisystem WinFS, nicht mehr in der bisherigen Form weiterentwickelt.

WinFS sollte die bisherigen Systeme FAT32 und NTFS ablösen, und zwar mit Windows Vista.

Allerdings bereitete das System immer wieder Probleme, sodass Vista wegen WinFS mehrmals verschoben wurde. Schließlich kündigte Microsoft WinFS als eigenes Software-Paket zum "Nachrüsten" an, um den Vista-Release nicht weiter zu gefährden.

Ob und wie das Konzept von WinFS in Microsofts Betriebssystem Windows Einzug halten wird, ist derzeit offen.

Neue Beta des Internet Explorer

Bei der Entwicklung des neuen Internet Explorer Version 7 scheint Microsoft dagegen mehr Glück zu haben. Der Hersteller gab nun die dritte Testversion zum Download frei. Laut Entwicklern wurden über 1.000 Bugs gegenüber der Beta 2 beseitigt.

Warten auf den Umsatz

Bis sich der Verkauf der neuen Versionen von Microsofts Cash-Cows Vista und Office in der Bilanz niederschlägt, dürfte ohnedies noch einige Zeit vergehen.

Nicht nur steigen mit Windows Vista die Anforderungen an die Computer-Hardware, was von den Privatanwendern eine wesentlich höhere Investition erfordert.

Firmen sind traditionell zudem zögerlich beim Umstieg auf neue Betriebssysteme. Etwaige Probleme damit gefährden nicht zuletzt die Produktivität jedes Unternehmens.

Marktforscher raten Unternehmen ebenfalls dazu, den Umstieg noch einige Zeit hinauszuschieben. Firmen, die aktuell Windows XP einsetzen, empfiehlt Gartner etwa, nicht vor 2008 umzusteigen.

Entgegen der bisherigen Meinung sollten sich Unternehmen einen Betrieb mehrerer Plattformen nebeneinander überlegen. Das sei nämlich wesentlich kostengünstiger, so die Gartner-Analysten.

Anhaltende Personalrochaden

Vor dem Hintergrund dieser für die Bilanz des Konzerns besonders schmerzhaften Verzögerungen erscheinen auch die Personalrochaden der letzten Zeit in einem völlig neuen Licht.

Seit der Ankündigung von Microsoft-Gründer Bill Gates, sich bis 2008 aus dem Tagesgeschäft zurückzuziehen, häufen sich die Meldungen über unerwartete Managementwechsel.

So trennte sich Microsoft letzte Woche überraschend von seinem Corporate Vice President Martin Taylor. In Statements bezeichnete der Konzern die Trennung als "schwierige Entscheidung", wollte aber die "persönliche Angelegenheit" nicht weiter kommentieren.

Taylor war vor allem für seine Aktvitäten bei Linux und Open Source bekannt geworden und sollte nun die Abteilung für Windows und Windows Live auf Vordermann bringen.

(Reuters | AP)