Microsofts neuer [Un-]Sicherheitschef
Er werde sehr viel Zeit damit verbringen, zwischen den beiden Washingtons hin- und herzupendeln, sagte Scott Charney, der seinen Posten als oberster Sicherheitsstratege von Microsoft am 1. Mai antritt.
Ziel dieser Reisen zwischen seinem neuen Arbeitsplatz Redmond im Bundesstaat Washington und seinem alten in Washington D.C. sei, so Charney weiter, Schlüsselbereiche der nationalen Computer-Infrastruktur sicherer zu machen.
Der Sicherheitsbegriff des Juristen Charney unterscheidet sich nämlich diametral von der im Netz gebräuchlichen Verwendung des Begriffs "Computer Security".
Während seiner Tätigkeit als Leiter der Abteilung Computerkriminalität im Justizministerium war Charney von 1991 an immer wieder öffentlich gegen die Verbreitung sicherer Verschlüsselungsmethoden aufgetreten. Das Argument: Damit werde die Verfolgung von Geldwäsche und organisierter Kriminalität erschwert.
Interview mit Charney, Vorsitzender der G-8-Arbeitsgruppe "High-Tech-Kriminalität"Vom Clipper-Chip zu Cybercrime
Aus seiner Abteilung kamen auch die maßgeblichen Vorgaben für die Entwicklung des berüchtigten Clipper-Chip [1995], einer Hardware-basierenden Verschlüsselungsmethode, die dezidiert mit einer Hintertür für US-Strafverfolger und Nachrichtendienste ausgestattet war.
Der Clipper-Chip scheiterte am Boykott der Industrie, die Verbreitung von Verschlüsselungsprogrammen wurde gegen den erbitterten Widerstand von Charneys Abteilung, FBI und Nachrichtendiensten schließlich freigegeben.
Im Jahr 1997 war Charney seitens der USA - die in allen wichtigen Gremien des Europarats [COE] beratend vertreten sind - eine der treibenden Kräfte hinter dem umstrittenen Abkommen gegen "Cybercrime".
Während Europa also allen Grund zur Skepsis hat, regen sich auch in den USA Stimmen der Kritik.
Alles über den Clipper-ChipStrafverfolgung, PR oder Technologie
Fred Cohen, Professor für Computer-Forensik an der Universität von New Haven und einer der bekanntesten "security mavens" im Netz, fragte sich, aus welchem Grund Bill Gates ausgerechnet einen Juristen in diesen technischen Job berufen hat: "Soll nun die Technologie verbessert werden, oder geht es um Strafverfolgung, Politik, PR?"
Der CTO der auf Risk Management spezialisierten Firma Cigital stieß ins selbe Horn und betonte, dass es weniger um "Verfolgung der bösen Buben" als vielmehr um Vorbeugung durch sichere Technik gehen sollte.
Bevor Charney in den Dienst Microsofts trat, war er für PricewaterhouseCooper tätig
Nachsatz
Wer wie der Autor dieses Artikels einmal das Vergnügen hatte, mit
Charney persönlich zu diskutieren, erlebt einen nachgerade sanften,
gebildeten Herrn mit perfekten Umgangsformen, die freilich blanken
Stahl umkleiden. In der Argumentation ist Charney kompromisslos und
gibt keinen Millimeter Spielraum ab.
Charneys Ansichten 2