Ego-Shooter in der Defensive
Der Streit um Computerspiele wie "Counter-Strike" [CS], das auch der Erfurter Mörder Robert Steinhäuser gespielt haben soll, hält an.
Während ein deutscher Anwalt Schadenersatzklagen gegen Spielehersteller vorbereitet und sich vor dem Gutenberg-Gymnasium in Erfurt zerbrochene Spiele in einem "symbolischen Mülleimer" sammeln, wehren sich CS-Spieler gegen die massive Kritik von Psychologen und aus der Politik.
"Computerspiele sind, wenn überhaupt, ein Ventil zum Ablassen von Aggressionen und kein Übungswerkzeug", schreibt ein Fan im Internet-Forum "counter-strike.de".
Psychologen sind - teilweise - anderer Meinung: "Durch die Tötungssimulation wird - ähnlich wie an einem Flugsimulator - eine Kompetenz erarbeitet und trainiert", meint der Bonner Psychologe Harald Ackerschott.
Nach der Tat des 19-Jährigen, der 16 Schüler und Erwachsene und sich selbst getötet hatte, forderten unter anderem der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wolfgang Clement [SPD] und Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber [CSU] ein sofortiges Verbot der so genannten "Killerspiele".

"Wieder einer dieser alleine gelassenen Menschen"
Die Spieler der Ego-Shooter reagieren darauf mit Unverständnis:
"Die Hintergründe dieser Tat liegen garantiert nicht bei
Computerspielen oder sonstigen Dingen. Der Attentäter war nur wieder
einer dieser alleine gelassenen, gehänselten und komplexgeplagten
Menschen, die nicht mit sich selber klarkommen", schreibt ein
Spieler unter dem Namen "Penta" im Internet-Forum.

"Spiele nicht Ursache von Gewalt"
Unterstützung bekommen die "CS"-Fans von Pädagogen aus Köln. Eine Forschungsgruppe der Fachhochschule für Sozialpädagogik hat im Auftrag des Forschungsministeriums die Wirkung von Computerspielen auf die Spieler untersucht.
"Spiele sind nicht die Ursache von Gewalt", sagt Projektleiterin Tanja Witting. "Robert Steinhäuser ist mit Sicherheit nicht durch Computerspiele zum Amokläufer geworden. Allenfalls haben ihn einzelne Teile des Spiels angesprochen, dafür mussten aber erst die Voraussetzungen geschaffen werden", betont die Expertin.
"Variante der Problemlösung"
"Die Gewalt hat ihn im Spiel zum Helden gemacht, diese Variante
der Problemlösung wollte er wohl auch in die Wirklichkeit
übertragen."

"Counter Strike"-Mods und "Counter Strike"
Auch die CS-Spieler sehen zwischen dem Massaker und ihrem
Lieblingsspiel keinen Zusammenhang: "Nur weil man Ego-Shooter
spielt, wird man noch lange kein Meisterschütze, der reihenweise
Kopfschüsse abfeuern kann", meint ein "Nick". Die Fangemeinde ist
sauer, dass "nun wieder die Computerspiele als Sündenbock" herhalten
sollen. Sie widersprach Medienberichten, nach denen in "Counter
Strike" auf Polizisten, Passanten und Schulmädchen geschossen wird.
Das dementiert auch das Unternehmen Vivendi Universal Interactive
Publishing mit Sitz in Langen bei Frankfurt/Main, das das Spiel in
Deutschland vertreibt. Das seien Versionen, deren Handlungen von
einzelnen Spielern individuell verändert wurden.

Anwalt bereitet Klagen vor
Unterdessen will der Münchner Rechtsanwalt Michael Witti angeblich neben Produzenten von "Gewaltvideos" und Waffen auch Spielehersteller auf Schadenersatz verklagen.
Nach Meinung des Anwaltes ist es "erwiesen", dass derartige Videos und Spiele bestehende Gewaltpotenziale "anheizen und Nachahmertaten auslösen" können.
Witti hat nach eigenen Angaben bereits Kontakt mit drei Angehörigen von Opfern des Erfurter Mörders und hofft "bald mit einer größeren Gruppe von Geschädigten und Hinterbliebenen Musterprozesse" führen zu können.
"Symbolischer Mülleimer"
Im Blumenmeer vor dem Gutenberg-Gymnasium haben Schüler unterdessen einen "symbolischen Mülleimer für Gewalt verherrlichende Videospiele" aufgestellt. "Mach kaputt, was uns kaputt macht" steht auf einem Schild, das aus einem Pappkarton ragt. Die Aufforderung wird offenbar verstanden. Zwischen Kerzen liegen zerbrochene Disketten und CD- Verpackungen.