14.05.2002

PIXEL-ATHLETEN

Bildquelle: counter-strike.de

Egoshooter als Leistungssport

Der netzwerkfähige Egoshooter "Counter Strike" [CS] hat es in den letzten Wochen schlagartig zur allgemeinen und fragwürdigen Berühmtheit als "Training für Amokläufer" gebracht.

Allerdings tauchten Spieler in den Mainstream-Medien höchstens in Form von mehr oder weniger verschüchterten Jugendlichen auf, denen man den Rechtfertigungsdruck "nach Erfurt" deutlich ansieht - in der Regel begnügte sich die Berichterstattung aber sogar mit Screenshots und Szenen, welche die Brutalität des Spiels beweisen sollten, wobei in rund der Hälfte aller Publikationen nicht einmal das richtige Spiel gezeigt wurde.

Nach einer Begegnung mit einem wirklich "fanatischen" "CS"-Spieler bleibt von diesem Bild nur ein Element übrig: das Training. Die in Österreich wohl erfolgreichste "CS"-Mannschaft [Clan] "Infernum" lässt sich nämlich am besten als junge und ehrgeizige Sportmannschaft beschreiben, deren Traumziel der Status als Profis wäre - genau wie das bei ungezählten und unangefeindeten Schach- und Fußballspielern oder Snowboardern der Fall ist.

Harte Arbeit an den Pixeln

Die "CS"-Spieler vom heimischen Infernum-Clan trainieren vier Mal die Woche für mindestens vier Stunden, dazu kommen permanent Online-Wettkämpfe und einzelne LAN-Partys.

Zum Team gehören fünf Stammspieler, Auswechselspieler, eine Art Manager ["War-Aranger"], der sich um Kontakte und die Organisation der Wettkämpfe kümmert [gegen welchen anderen Clan, auf welchem Server], außerdem eine Person, welche die eigene Site betreut.

Das Training hat auch nichts mit dem Baller-Image zu tun, das "CS" anhaftet, hier werden vielmehr Standardsituationen bis zu Perfektion wiederholt und und neue Taktiken besprochen. Was zählt, sind vor allem Tugenden wie Disziplin, Team- und Konzentrationsfähigkeit.

Auf dem Weg zum Profi

"CS"-Squads wie das von Infernum sind derzeit klar auf dem Weg, ihren Sport zu professionaliesiern. Mangels öffentlicher Förderung können sie dabei nur auf zwei Geldquellen zurückgreifen: Sponsoren und Preisgelder.

Heimische LANs loben üblicherweise für das "CS"-Gewinnerteam Preise in der Größenordnung von 700 Euro aus, bei internationalen Wettkämpfen wie dem jährlichen Finale der "Cyberathlete Professional League" [CPL] sind allerdings schon 50.000 USD zu gewinnen.

In Europa lebt momentan noch kein Team vom "CS"-Spielen, in den USA dürften es schon eine Hand voll Spieler sein.

Ein echter Hardware-Treiber

Zwar sind Sponsoren aus der IT-Industrie nach dem Massaker von Erfurt im deutschsprachigen Raum etwas auf Distanz zur Egoshooter-Szene gegangen, das dürfte allerdings nicht von Dauer sein:

Wohl nirgendwo sonst im Konsumentenbereich werden die kleinsten PC-Leistungssteigerungen so euphorisch aufgenommen wie in den Spieler-Kreisen, und auch für die Qualität von Internet-Anbindung ist die Szene ein treibender Faktor.

Der extreme Fokus auf Technologie-Neuerungen, die sich die IT-Industrie für ihre gesamte Kundeschaft wünschen dürfte, erklärt sich aus den Vorteilen, die ein schneller Rechner und eine reibungslose Anbindung für "CS" ergeben: Eine schlechte Ping-Zeit oder eine ruckelnde Grafik schlagen sich sofort in schlechten Ergebnissen nieder, wenn der Gegner gleich stark ist.

Fans und TV-Gelder

Parallel zur Professionalisierung der "CS"-Szene entwickeln sich auch Zuschauer- und Fanstrukturen, wie man sie aus klassischen Sportarten kennt.

Dabei dürfte in Zukunft vor allem die "Zuschauer"-Software, die der "CS"-Entwickler Valve immer weiter entwickelt, eine besondere Rolle spielen, denn sie erlaubt inzwischen die Übertragung von Matches aus beliebigen Perspektiven. Der Zuschauer kann so ganze Spielsituationen erfassen und den Kampf zwischen den Teams wie ein "normales" Sportereignis verfolgen.

Das geschieht momentan natürlich vor allem im Netz, wo schon Zehntausende Spitzenspiele verfolgen. Der nächste logische Schritt ist jetzt der ins TV. Laut Valve hat schon eine Reihe von TV-Stationen die Software lizenziert und planen Spiele auch auf die Mattscheibe zu bringen.