Industrie mit zaghaftem MP3-Test
Das Ereignis scheint auf den ersten Blick genauso unbedeutend zu sein, wie die Sängerin "Meshell Ndegeocello" unbekannt ist, wird aber von Branchenanalysten als "wichtiger Schritt in die Richtung neuer Vertriebs- und Promotionmodelle" begrüßt:
Die Warner-Music-Tochter Maverick Records bringt als erstes der großen Musiklabels eine Single ausschließlich im MP3-Format auf den Markt. Der Song "Earth" von Meshell Ndegeocello soll ohne irgendeine Limitierung im Juni für 99 US-Cent auf den Markt kommen.
"Jedes andere Label wird das beobachten", versicherte der Gartner-Analyst P. J. McNealy gegenüber der "LA Times". Es seien genau solche Experimente notwendig, um zu sehen, ob neue Modelle funktionieren.
Ein mutiger Schritt ist das Experiment von Maverick aber nicht. Die Verkaufszahlen des unbekannten Bassisten und Sängers Ndegeocello sind in der Vergangenheit mit jedem neuen Album zurückgegangen. Dem Label stünden auch Maverick-Stars wie Alannis Morissette, Prodigy und Deftones sowie Newcomer wie Home Town Hero und Oakenfold als Versuchsballons in Sachen MP3 zur Verfügung.
Maverick RecordsPromotion im Vordergrund
Die Popularität des MP3-Formats zu Promotionzwecken zu nutzen, sei sinnvoll, so McNealy. MP3s seien nicht mehr oder weniger sicher als CDs.
Jeremy Welt, Chef der New-Media-Sparte bei Maverick, sieht keinen Nachteil in der Veröffentlichung als MP3. Neben der legalen Alternative zur Online-Piraterie stehen auch für ihn die Möglichkeiten der neuen Art von Promotion im Vordergrund.
Das derzeit einzige Handicap des neuen Modells ist laut Welt, dass viele Online-Händler nicht für den Vertrieb und die Promotion von MP3s ausgerüstet sind.
Warner betreibt zusammen mit der Bertelsmann Music Group [BMG], EMI, AOL Time und RealNetworks schon jetzt den - offensichtlich nicht besonders erfolgreichen - Dienst "MusicNet". Hier ist die Nutzung der Files allerdings durch ein DRM-System eingeschränkt.
Musikindustrie startet Download-DienstUniversal mutiger
Deutlich weiter als Warner will Universal Deutschland mit seinem Service "popfile.de" gehen, das im Juli starten soll.
Als erstes kostenpflichtiges Online-Service der Musikindustrie soll "popfile.de"auf jegliche Nutzungsbeschränkung wie einen Kopierschutz oder ein DRM-System [Digital Rights Management] verzichten. Hier soll das ganze Repertoire von Universal Deutschland bei einem Durchschnittspreis von 99 Cent pro Track angeboten werden.
"Die User können die kopierten Tracks auf CD brennen oder auf ihre MP3-Player überspielen", sagte Tim Renner von Universal.
Download-Service nach KundenwünschenKundenwünsche
Eine mUS-Studie kam unlängst zu dem Schluss, dass die Musikindustrie bisher mit ihren kostenpflichtigen Download-Services nicht auf die Wünsche und Bedürfnisse der Konsumenten eingeht - obwohl diese prinzipiell an kostenpflichtigen Diensten Interesse haben.
Die Konsumenten wollen laut der Studie - im Gegensatz zu den Angeboten der aktuellen Services - ihre Musik besitzen, kontrollieren und darüber nach ihren Wünschen verfügen.
Mit den Ankündigungen von Warner und Universal deutet sich allerdings - wenn auch sehr zaghaft - eine Wende an.
"Musikindustrie löst nur eigene Probleme"