Doppeltes Patentspiel der EU-Kommission
EU-Parlamentarier werfen der EU-Kommission vor, einen mehrheitlichen Parlamentsbeschluss gegen europäische [Software-]Patente zu hintertreiben. Hauptkritikpunkt ist eine auf kleine und mittlere Unternehmen abzielende EU-Info-Kampagne von Kommissar Günter Verheugen.
Während das Ergebnis der öffentlichen Konsultation zu einer Regelung des EU-Patentwesens im Allgemeinen - und der möglichen Mitpatentierung von Software im Besonderen - erst am Mittwoch bekannt gegeben wird, eröffnet die EU-Kommission das Match bereits am Dienstag.
Begonnen wurde es aber eigentlich schon im April, denn da hatte die Kommission kurz nach Ablauf der Einreichfrist für die öffentliche Konsultation eine weitere Initiative begonnen, die bis jetzt weit weniger öffentlich war.
Den meisten Parlamentariern wurde sie erst während der Vorbereitung des Patent-Meetings für kleine und mittlere Unternehmen [KMUs] am kommenden Dienstag bekannt.
Patente haben oder wollen
Am 24. April hatte die EU-Generaldirektion für Unternehmen und Industrie [Kommissar und Vizepräsident der Kommission ist Verheugen] über die European Information Centers [EIC] kleine und mittlere Unternehmen von wenigstens 14 EU-Mitgliedsstaaten kontaktiert.
Gesucht wurden KMUs, die Patente haben, solche gerne hätten bzw. in einen Patentstreit vor Gericht verwickelt sind.
Patentanwälte und KMUs
Wie aus Brüssel zu erfahren war, liefen die Kontakte zum Großteil über Patentanwälte, zumindest aus Belgien, England und Polen ist das bekannt. Die Patentanwälte halfen den KMU-Vertretern dabei, die Patentfragebögen auszufüllen.
Dass die EU-Generaldirektion für Unternehmen gerade Klein- und Mittelbetrieben das Patentwesen näher zu bringen versucht, macht für die Kommission insofern Sinn, als nationale Wirtschaftskammern maßgeblich dazu beigetragen hatten, dass der Entwurf der EU-Kommission von einer EU-Parlamentsmehrheit vor einem Jahr abgelehnt worden war.
Hardware gegen Software
Die Kommission ist von ihrer Linie der Befürwortung von Patenten auch auf Software nämlich nicht abgerückt.
Man will damit die Position europäischer Konzerne gegenüber ihren US-Mitbewerbern stärken, zumal Patente längst zu Waffen für die milliardenschweren Prozesse besonders im Technologiesektor umgeschmiedet worden sind.
Die Positionen beider Seiten, deren Interessen in puncto Software-Patente kollidieren, sind eindeutig: Europas Software-Unternehmensmittelstand, freie Programmierer und Open-Source-Communitys gegen Konzerne wie Bosch, Daimler-Chrysler, EADS, Nokia, Philips, Volvo, Thomson et al.
Der patentierte Download-Balken
In den USA lässt sich von Software bis hin zu Trivialem wie dem Download-Balken alles Mögliche anstandslos patentieren, das europäische Patentamt [EPA] hat diese Praxis eine Zeit lang heftig kopiert.
Da es keine EU-weite Patentregelung gibt, kann das EPA diese Praxis auch weiterführen.
Kernpunkt der Kritik
Dass die Kommission parallel zu einer öffentlichen Konsultation seit April eine weitere, bis jetzt nichtöffentliche Patentinitiative in ihrem Sinne betreibt, erbost die Abgeordnete Eva Lichtenberger [Grüne], eine der profiliertesten Gegnerinnen von Software-Patenten.
Wenn seitens der Kommission versucht werde, von hinten eine Praxis einzuführen, die in einem demokratischen Prozess als nicht dienlich verworfen wurde, dann sei das zutiefst undemokratisch, sagt Lichtenberger.
Das komme einem Versuch gleich, "die Debatte im Sinne der Patentmonopolisten zu manipulieren". Wenn man seitens der Kommission glaube, so europäische Wirtschaftsinteressen besser durchsetzen zu können, dann sei das der "völlig falsche Weg", so Lichtenberger.
Die Skeptiker
Noch vor dem oben erwähnten Treffen des Arbeitskreises Klein- und Mittelbetriebe mit hochrangigen Vertretern der Kommission kommen am Montag die Patentskeptiker unter Vorsitz des deutschen EU-Abgeordneten Alexander Alvaro [Liberale] zusammen.
Am Mittwoch werden dann die Ergebnisse einer Konsultation zum weiteren europäischen Vorgehen in der Patentfrage in einem öffentlichen Hearing der EU-Kommission bekannt gegeben.