280,5 Millionen Euro Strafe für Microsoft
Wegen Nichterfüllung von Auflagen aus dem Kartellprozess hat die EU-Kommission gegen den Softwarehersteller Microsoft ein zusätzliches Bußgeld von 280,5 Mio. Euro verhängt. Auch die Gangart gegen den Konzern wurde noch einmal verschärft. Microsoft will gegen die Entscheidung klagen.
Das Unternehmen habe bis zum 20. Juni noch immer nicht die im Kartellprozess im März 2004 verlangte Offenlegung von Teilen seiner Software für Wettbewerber erfüllt, erklärte die Kommission am Mittwoch in Brüssel.
Sollte Microsoft weiter die Auflagen nicht erfüllen, werde das Zwangsgeld mit Wirkung ab dem 31. Juli auf bis zu drei Mio. Euro täglich angehoben, kündigte die Kommission an.
"Keine Firma steht über dem Gesetz"
"Ich bedauere aufrichtig, dass die Firma ihr illegales Verhalten immer noch nicht abgestellt hat", sagte EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes. "Keine Firma steht über dem Gesetz. Die Kommission kann solch ein Verhalten auf Dauer nicht hinnehmen."
Im Urteil vom März 2004 wurde Microsoft unter anderem dazu aufgefordert eine Windows-Version ohne Media Player anzubieten und Wettbewerbern den Code von Software-Schnittstellen offen zu legen.
Microsoft pocht darauf, seit zwei Jahren mit der Erfüllung der Auflagen beschäftigt zu sein. Allerdings arbeiten erst seit den letzten Wochen an die 300 Mitarbeiter des Konzerns Tag und Nacht daran, die notwendigen Dokumentationen bereit zu stellen.
Microsoft kündigt Widerstand an
Microsoft kündigte an, gegen die neue Strafe vor Gericht zu ziehen. "Wir werden die europäischen Gerichte anrufen, um zu entscheiden, ob unsere Anstrengungen ausreichend waren und ob die nie da gewesene Strafe der Kommission gerechtfertigt ist", so Microsoft-Anwalt Brad Smith.
"Wir glauben nicht, dass irgendeine Strafe, schon gar nicht in dieser Höhe, angemessen ist", fügte er hinzu. Die ursprüngliche Entscheidung aus dem Jahr 2004 der Kommission sei "unklar" und die Forderungen würden sich ständig verändern.
"Das kaufe ich Ihnen nicht ab", erwiderte Kroes. Die Forderungen der EU seien kristallklar und hätten sich nicht geändert.
Warnung für Windows Vista
Kroes warnte Microsoft auch, sie hoffe, dass das kommende Betriebssystem Vista so konzipiert sei, dass Kartellrechtsstreitigkeiten vermieden würden.
Kroes hat dem Unternehmen bereits einen Fragenkatalog zu Vista vorgelegt. Die Kommission befürchtet, dass die Einbindung neuer Anwendungen ähnliche Probleme schaffen könnte wie die Verknüpfung des Media Player mit Windows.
Microsoft erklärte, es habe der Kommission Vorschläge zu Vista unterbreitet und warte nun auf eine Antwort der Kommission.
Gegen das Urteil vom März 2004 hat Microsoft bereits geklagt. Die Verhandlung fand im April statt, eine endgültige Entscheidung steht bisher noch aus.
1,5 Mio. Euro pro Tag
Die Kommission habe "Zurückhaltung" bei der Festsetzung der hohen Strafe walten lassen, so Kroes weiter. Bis zu fünf Prozent des jährlichen weltweiten Umsatzes kann die EU als Strafe festsetzen, laut Kroes wären für Microsoft damit bis zu 4,28 Mio. Euro Strafe pro Tag möglich.
Da bisher nur ein geringer Teil der Auflagen erfüllt worden sei, sei mit 1,5 Mio. Euro täglich nun der größere Teil dieses Zwangsgeld ab dem 16. Dezember beginnend verhängt worden, erläuterte die Kommission ihre Berechnung.
Microsoft hätte die Strafe durch rechtzeitiges Handeln abwenden können, so Kroes. Microsoft hatte angekündigt, in wenigen Tagen neue ergänzende Dokumente vorzulegen.
MS sieht Auflagen erfüllt
Microsoft hat bisher argumentiert, es sei allen Aufforderungen der Kommission nachgekommen. "Microsoft hat auch nicht annähernd genaue und detaillierte Daten vorgelegt", sagte Kroes hingegen.
"Ich hoffe sehr, dass die neuesten, von Microsoft vorgelegten technischen Unterlagen endlich den Auflagen entsprechen und keine weiteren Zwangsgelder erforderlich sind", so Kroes.
In den vergangenen drei Wochen sind laut Kroes zahlreiche Unterlagen von Microsoft bei einem unabhängigen Treuhänder eingegangen, der sie technischen Informationen auf ihre Brauchbarkeit prüfen soll. Etwa die Hälfte des Materials liege jetzt vor.
Erstes Zwangsgeld sei EU-Gründung
Es ist das erste Mal seit der Gründung der EU vor 49 Jahren, dass die Kommission in einem Wettbewerbsverfahren ein solches Zwangsgeld tatsächlich verhängt. 2004 hatte die EU im Rahmen des Kartellprozesses bereits ein Bußgeld von 497 Millionen Euro gegen Microsoft verhängt.
(AFP | Reuters | APA | dpa)