17.07.2002

ERKENNTNIS

Bildquelle: ap/tor

"Wir können nicht günstiger als Linux sein"

Auf der Partner-Konferenz Fusion 2002 hat Microsoft-Chef Steve Ballmer Erstaunliches zum Verhältnis seines Konzerns zu Linux geäußert:

Demnach hat das bislang von Microsoft vor allem als unsicher, teuer und innovationshemmend bezeichnete Open-Source-Projekt den Konzern sogar in eine "ganz neue Gedankenwelt" geführt.

Dieser Wandel soll durch die Tatsache ausgelöst worden sein, dass Microsoft "keinen Weg gefunden hat" seine Produkte "günstiger als Linux" anzubieten, was laut Ballmer eine Premiere darstellt, denn bis dahin habe man sich selbst "immer als den günstigsten Anbieter gelobt".

Konsequenzen

Ballmer erläuterte des Weiteren, dass Microsoft derzeit lernen müsste, seinen Kunden zu erklären, dass man zwar nicht das günstigste, aber dafür das wertvollste und sinnvollste Produkt anbiete.

Als eine Konsequenz hat der Konzern offensichtlich auch den Inhalt einer Site geändert, auf der früher erklärt wurde, dass die niedrigeren Kosten für Linux "ein Mythos" seien.

Maßnahmen und Spekulationen

In der Open-Source-Gemeinde wird unterdessen allerdings gemutmaßt, dass Microsoft außer einer geänderten Werbebotschft noch ganz andere Maßnahmen gegen die Linux-Konkurrenz plant: Demnach zielt das "Palladium"-Sicherheitskonzept des Konzerns darauf ab, dass Open-Source-Software zukünftig gar nicht mehr auf dem PC installiert werden kann.

"Palladium" soll nämlich zusammen mit einem speziellen Prozessor nicht nur für die Verschlüsselung von Daten sorgen, sondern auch dafür, dass nur noch Dateien und Programme mit einem digitalen Wasserzeichen verwendet werden können.

Dieses Zeichen soll für fertige Produkte - von Musik-CDs bis zu Software - von einer unabhängigen Institution vergeben werden. Open-Source-Software könne aber gar nicht mit einem solchen Siegel versehen werden, argumentieren die "Palladium"-Skeptiker.

Sie sei nie ein fertiges Produkt, werde ständig von Programmierern mit Zugang zum Quellcode weiterentwickelt. Würde sich Palladium zum Standard entwickeln, akzeptiere der Computer möglicherweise die freie Software wegen des fehlenden Siegels nicht mehr.

Dementi

Microsoft bemüht sich, die Bedenken zu zerstreuen. Es gehe ausschließlich um die Sicherheit von Firmen-Netzwerken und privaten Computern, betont der Manager des "Palladium"-Entwicklungsteams, John Manferdelli.

"Wir erwarten, dass jede Industrie, in der die Verletzung der Datensicherheit schreckliche Konsequenzen hätte, zu den ersten Nutzern von Palladium gehört", betont er. Einschränkungen bei der PC-Nutzung soll es nicht geben.

"Alles, was man heute mit einem Windows-Computer machen kann, wird man auch morgen mit einem Palladium-Computer machen können", sagte der Microsoftmanager.

"Palladium" könne vom Nutzer jederzeit abgeschaltet werden, beteuert Microsoft. Diese Option wird jedoch dann problematisch, wenn das Sicherheitssystem nach der Einführungsphase zum Standard wird. Programme und Dateien würden dann ausschließlich unter Zuschaltung von Palladium nutzbar.