USA erwägen ICANN-Privatisierung

28.07.2006

Die internationale Kritik an der Einflussnahme der US-Regierung auf die Internet-Verwaltung scheint nun Früchte zu tragen: In einem Hearing sprachen sich diese Woche US-Regierungssprecher für eine Privatisierung der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers [ICANN] aus.

Eine Kehrtwende scheint sich in der US-Internetpolitik abzuzeichnen: Im Rahmen eines Hearings zum Thema Web-Verwaltung erklärten US-Regierungssprecher am Mittwoch, die USA hätten "reges Interesse, das Management des Domain-Name-Systems in private Hände zu übergeben".

Die ICANN entscheidet über die Grundlagen der Verwaltung von Namen und Adressen im Internet und beschließt technische und Verfahrensstandards.

Vertrag mit US-Ministerium läuft aus

Die Äußerungen sind vor allem in Bezug auf die Tatsache interessant, dass der Vertrag, der die ICANN eng an das US-Handelsministerium bindet, per Oktober dieses Jahres ausläuft.

Der in Kalifornien ansässigen ICANN wurde 1998 die Internetverwaltung übertragen. Die starke Bindung an die US-Regierung hatte allerdings von Anfang an für Kritik aus aller Welt gesorgt.

Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers wurde im Oktober 1998 von einem Zusammenschluss verschiedener Interessenverbände [Wirtschaft, Technik, Wissenschaft und Nutzer] gegründet.

Kurswechsel in ICANN-Diskussion

Noch im Juni des vergangenen Jahres hatte der ICANN-Disput einen Höhepunkt erreicht, als die US-Regierung erklärt hatte, an der Kontrolle festzuhalten, um "die Sicherheit und Stabilität des Internets sicherzustellen".

Internet sollte unter UNO-Kontrolle

Die Internationale Gemeinschaft reagierte verärgert auf diese Absichtserklärung und brachte zum wiederholten Mal den Vorschlag ein, die ICANN unter UNO-Kontrolle zu stellen. Diese Idee war erstmals bereits am UNO-"World Summit on Information Society" [WSIS] im November 2003 aufgekommen.

Vor allem Länder wie Brasilien, China, Indien und Südafrika hatten sich für diesen Vorschlag stark gemacht, da sie zunehmend mit der im Zeichen von US-Interessen stehenden Arbeit der ICANN unzufrieden waren.

Offizielle US-Kritik an EU-Haltung

Im November 2005 hatten sogar US-Außenministerin Condoleeza Rice und US-Handelsminister Carlos Gutierrez die EU in einem Brief aufgefordert, ihren Vorschlag zu einer alternativen Internet-Verwaltung zurückzuziehen.

Glaubt man Sprechern des US-Handelsministeriums, so wird die Deadline 30. September 2006 für die ICANN-Privatisierung halten.

Kontroverse um Sex-Domain

Im Mai dieses Jahres kam erneut frischer Wind in die ICANN-Debatte, als die Einführung der .xxx-Domain für Sites mit pornografischen Inhalten von der Internet-Verwaltung überraschend blockiert wurde.

Kritiker hatten diese Entscheidung als "politisch motiviert" bezeichnet. Der Tenor: Keine einzelne Regierung sollte in der Führung des Internets eine dermaßen dominante Rolle spielen.

Zweifel an Privatisierungsreife

Im Hearing vom Mittwoch wurden allerdings auch Bedenken geäußert, ob die ICANN bereits reif für die Privatisierung sei. Die Privatisierung sei eine Frage des richtigen Timings. Das derzeitige System funktioniere gut, die Verknüpfung zur US-Regierung sei "kein operatives Problem".

Trotz allem solle die ursprüngliche Vision der ICANN verwirklicht und an einer privaten Lösung weitergearbeitet werden.

Schritt in richtige Richtung

Wie die Zukunft der ICANN also nach Auslaufen des Vertrages mit dem US-Handelsministerium aussehen wird, ist weiter ungewiss. Kritiker der Abhängigkeit von politischen US-Interessen sehen die neuen Äußerungen jedenfalls als "ersten wichtigen Schritt in die richtige Richtung".

(futurezone | BBC)