Chef der Deutschen Telekom unter Druck
Wegen des schlechten Deutschland-Geschäfts soll Konzernchef Kai-Uwe Ricke um seinen Job bangen müssen. Ricke selbst denkt nicht an Rücktritt und will beweisen, dass seine Strategie doch noch aufgeht. Doch der Gegenwind wird immer stärker.
Zwischen dem deutschen Finanzministerium und weiteren Anteilseignern der Deutschen Telekom ["DT"] liefen Gespräche darüber, ob Ricke noch der richtige Mann an der Konzernspitze sei, berichtet die "Süddeutsche Zeitung" ["SZ"] unter Berufung auf Aktionärskreise.
Ricke müsse damit rechnen, dass sein im Herbst 2007 auslaufender Vertrag nicht verlängert werde, bzw. der Aufsichtsrat ihm nur eine Verlängerung von zwei Jahren anbieten werde - als Signal, dass seine Arbeit nicht mehr geschätzt wird.
"Reine Spekulation"
Der Konzern bezeichnet den Bericht als "reinste Spekulation". "Wir haben keinerlei Hinweise, die eine solche Spekulation nähren", sagte ein Sprecher. Bisher soll im DT-Aufsichtsrat auch noch nicht über die Personalie Ricke gesprochen worden sein.
Ein Sprecher des deutschen Finanzministeriums sagte: "Ich kann den Bericht nicht bestätigen." Großaktionär Blackstone war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen.
DT-Aktie im Sinkflug
Die DT hat dieses Jahr eine Million Festnetzkunden an die Konkurrenz verloren. Nach einem Gewinnrückgang im zweiten Quartal musste der Konzern die Prognosen für 2006 entsprechend deutlich kappen, die ohnehin seit Monaten schwach notierende Aktie verlor daraufhin in zwei Tagen gut zehn Prozent an Wert.
Analysten entzogen der Aktie am Freitag reihenweise das Vertrauen: Zahlreiche Herunterstufungen drückten zum Wochenschluss zusätzlich auf den Kurs.
Für 2006 erwartet die DT jetzt nur noch bis zu 62,1 Milliarden Euro Umsatz statt bis zu 62,7 Milliarden Euro. Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen [Ebitda] erwartet sie nun um eine Milliarde Euro niedriger bei 19,2 bis 19,7 Milliarden Euro. 2007 werde das Ebitda stagnieren statt wieder zulegen.
Verhältnis "unter dem Gefrierpunkt"
Die Investoren dächten nun intensiv darüber nach, "lenkend einzugreifen", um einen weiteren Kursverfall der Aktie zu verhindern, so die "SZ". Das Verhältnis der maßgeblichen Anteilseigner zu Ricke sei inzwischen "unter dem Gefrierpunkt".
Gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ["FAZ", Samstag-Ausgabe] meinte Ricke: "Das Verhältnis zur Bundesregierung ist gut." "Vergessen Sie nicht, wir haben den Konzern aus der Verschuldungsfalle geführt." Die deutsche Regierung hält noch 31 Prozent am Ex-Monopolisten.
Ricke will Strategie beweisen
Er selbst habe in den vergangenen Tagen nicht an einen Rücktritt gedacht - "weil ich beweisen will, dass meine Strategie aufgeht".
In diesem Zusammenhang sei allerdings auch ein Personalabbau nach 2009 nicht auszuschließen, so Ricke gegenüber "Focus". Derzeit streicht der Konzern 32.000 Stellen bis Ende 2008.
Anfang nächster Woche will er in London und New York bei Investoren für seinen Kurs werben. Einen Grund, unzufrieden zu sein, hätte etwa der US-Finanzinvestor Blackstone, der im April 4,5 Prozent DT-Aktien für umgerechnet 2,7 Milliarden Euro gekauft hatte - die Aktie stand damals bei 14 Euro.
Zwar war das letzte Jahr trotz aller Widrigkeiten ein Rekordjahr für die Deutsche Telekom, doch die einst als "Volksaktie" gepriesene DT-Aktie verlor alleine 2005 rund 17 Prozent.
"Aggressive" Preispolitik
Den Kundenschwund will Ricke mit Preissenkungen und Pauschaltarifen stoppen. "Wir werden mit aggressiven Preis-, Produkt- und Servicemaßnahmen an den Markt gehen", kündigte Ricke in der "FAZ" an.
Er wolle die DT zum führenden Anbieter von Pauschalpreisen oder Flat-Rates in Europa sein. So soll ein Bündel aus Festnetz und DSL inklusive aller Verbindungsentgelte für deutlich weniger als 40 Euro angeboten werden. Im Mobilfunk werde es Tarife geben, "in denen die durchschnittliche Mobilfunkminute weniger als zehn Cent kostet".
Gegenwind für Schlüsselprojekt VDSL
Weiterer Gegenwind droht der DT allerdings bei ihrem Schlüsselprojekt VDSL, das mit Triple-Play [Fernsehen, Telefonie und Internet-Zugang] nicht zuletzt den Kundenschwund abfangen soll.
Die deutsche Regulierungsbehörde will nach Informationen der "Wirtschaftswoche" das Hochgeschwindigkeitsnetz nun doch noch für die Konkurrenz öffnen. Der Entwurf für eine entsprechende Verfügung sei bereits unterwegs zur EU-Kommission, heißt es.
DT droht mit Investitionsstopp
Damit würde der Regulierer die Pläne der DT durchkreuzen, zunächst ohne Konkurrenz so genannte "Pioniergewinne" einzustreichen.
Die DT hatte wiederholt gedroht, die geplanten Investitionen von drei Milliarden Euro zu stoppen, falls das VDSL-Netz für die Konkurrenz geöffnet werden sollte - selbst auf die Gefahr hin, sich damit auch selbst zu schaden.
Allerdings könne das VDSL-Netz die Lage des Konzerns ohnedies nicht kurzfristig verbessern, so Ricke gegenüber "Focus". Es gehe um den langfristigen Markterfolg. DSL und Mobilfunk seien auch nicht über Nacht zum Massenprodukt geworden, dämpft Ricke die Erwartungen.
Über das VDSL-Netz will die DT unter anderem auch die deutsche Bundesliga via Internet in die deutschen Haushalte bringen.
Die deutsche Regierung unterstützt die Pläne der DT, das VDSL-Netz nicht zu öffnen, die EU-Kommission hält jedoch vehement dagegen.
(dpa | Reuters)