Europa fehlt eine Telekom-Strategie
Der französische Wirtschaftsminister, Francis Mer, hat indirekt auch eine fehlende europäische Mobilfunk-Strategie für das Debakel der deutschen MobilCom mitverantwortlich gemacht.
Die wesentliche Gelegenheit sei verpasst worden, "eine gewisse Industriepolitik auf dem Feld der neuen Technologien zu haben", sagte der Minister am Freitag.
"Europa hat nicht den Mut gehabt, intelligente Lösungen vorzuschlagen, sodass jedes Land dann auf seine unabhängige Weise vorgegangen ist", erklärte Mer unter Anspielung auf unterschiedliche und äußerst teure UMTS-Lizenzen.
France Telecom hatte am Donnerstag angekündigt, bei dem angeschlagenen deutschen Mobilfunkunternehmen auszusteigen. Nach dem Rückzug wird der Büdelsdorfer Mobilfunkanbieter nach Worten seines Vorstandschefs, Thorsten Grenz, noch am Freitag Insolvenzantrag stellen.
Deutsch-Französisches Telekom-DramaAnbietersterben hat bereits begonnen
Frankreich sei schließlich eines der Länder, die bei den Lizenzen noch am verantwortlichsten gehandelt hätten, "indem wir wesentlich billigere Lizenzen vorgeschlagen haben", sagte Mer.
Mit dem UMTS-Rückzug [Universal Mobile Telecommunication System] des G3-Konsortiums für Österreich, Deutschland, Italien und die Schweiz hat im Juli die lange erwartete Konsolidierung - oder brutaler gesagt: das Anbietersterben - im Mobilfunksektor begonnen, für die die hohen UMTS-Lizenzpreise mitverantwortlich gemacht werden.
UMTS-Marktbereinigung hat begonnenDemontage der Telekom-CEOs
Der Minister kündigte an, dass der scheidende France-Telecom-Chef Michel Bon Ende September oder Anfang Oktober abgelöst wird. Er äußerte sich nicht zu einem möglichen Nachfolger.
Bon ereilt damit das gleiche Schicksal wie seinen deutschen Kollegen Ron Sommer, der ebenfalls nach einer missglückten Expansionsstrategie zurücktreten musste.
France Telecom hat im ersten Halbjahr einen Rekordverlust von 12,2 Milliarden Euro verbucht. Der Schuldenstand erhöhte sich bis Ende Juni auf 69,7 Milliarden Euro. Die Aktie von France Telecom verlor nach der Eröffnung der Pariser Börse 4,99 Prozent auf 10,10 Euro. Der Markt zeigte sich enttäuscht über fehlende Maßnahmen zur Krisenbewältigung.
"Pensionist" aus Österreich folgt SommerDie Suche nach einem neuen Chef für France Telecom dürfte schwierig werden: Der 59-jährige Michel Bon, der nach sieben Jahren als Konzernchef zurücktritt, erhält ein Jahres-Netto-Salär von gerade mal 279.116 Euro.
Der billigste Telekom-Chef EuropasNachspiel vor Gericht
Ex-MobilCom-Chef Gerhard Schmid will unterdessen Milliarden-Ansprüche gegen France Telecom vor Gericht geltend machen.
Schmid sagte heute: "Ich werde vor dem Frankfurter Landgericht klagen." France Telecom habe gegen den mit Mobilcom und ihm geschlossenen Kooperationsvertrag verstoßen und müsse nun mit einer Schadenersatzklage rechnen.
Zur Höhe der Klage sagte Schmid: "Milliarden-Beträge sind es allemal."