Neue Debatte über Videoüberwachung

21.08.2006

Nach den versuchten Terroranschlägen in Deutschland wird nun über flächendeckende Videoüberwachung heftig diskutiert. Kanzlerin Angela Merkel [CDU] ist dafür, die Datenschützer sprechen sich gegen die "Totalüberwachung" aus. Die Diskussion findet auch europaweit statt.

Deutschlands Regierung ist sich einig: Eine verstärkte Videoüberwachung öffentlicher Plätze soll für mehr Sicherheit sorgen.

SPD und CDU sind dafür

Neben Merkel hat sich auch das Präsidium des Koalitionspartners SPD für Videoüberwachung an öffentlichen "kritischen Stellen" ausgesprochen.

Wenn Fachleute begründen können, dass eine Videoüberwachung an bestimmten Plätzen das Sicherheitsrisiko vermindere, seien die Sozialdemokraten "ohne lange Grundsatzdiskussion" dazu bereit, sagte SPD-Chef Kurt Beck.

Während Videobilder zwar zur Überführung der Attentäter von London führten, hat sich die Videoüberwachung als Maßnahme zur Abwehr von Anschlägen allerdings noch nicht bewährt.

Auch in Deutschland konnte einer der mutmaßlichen Kofferbomben-Leger in Kiel erst im Nachinein mit Aufnahmen aus Bahnhofskameras ausgeforscht und schließlich verhaftet worden.

In Österreich lobte die Wiener Polizei zuletzt die Videoüberwachung als Mittel gegen Kriminalität - auf dem Karlsplatz wird dennoch weiter gedealt.

Datenschützer gegen "Totalüberwachung"

Deutschlands Datenschützer sind gegen eine flächendeckende Ausweitung der Videoüberwachung. Eine "Totalüberwachung" dürfe es nicht geben, so der Datenschutzbeauftragte Peter Schaar.

Nur durch mehr Kameras könnten geplante Bombenanschläge in Zügen und Bahnhöfen nicht verhindert werden, meinte Schaar. Herrenlose Koffer - wie jüngst in Koblenz und Dortmund gefunden - würden in Zügen normalerweise nicht über Videokameras ausfindig gemacht, sondern durch Sicherheitskräfte oder Bahnpersonal.

"Viel zu aufwendig"

An besonders gefährdeten Bereichen könne eine verstärkte Überwachung jedoch sinnvoll sein. Es müsse aber gewährleistet sei, dass die Aufnahmen nicht in falsche Hände gerieten, so Schaar.

Auch Hessens Datenschützer meinen, dass mehr Kameras in den Bahnhöfen wenig bringen. Die meisten Bahnhöfe seien bereits videoüberwacht, und jede kleine Einstiegs- und Umsteigestelle könne man sowieso nicht überwachen, das wäre viel zu aufwendig, meinte Michael Ronellenfitsch.

In Deutschland gibt es laut Deutscher Bahn mehrere tausend Videokameras auf den 5.700 Bahnhöfen. Die Bahn hat ihre Sicherheitsvorkehrungen bereits verschärft, die Videoüberwachung auf den Bahnhöfen soll ebenfalls ausgeweitet werden.

Videoüberwachung in ÖBB-Zügen?

Auch die ÖBB planen die Videoüberwachung von Nahverkehrszügen. Das System soll dem der Wiener Linien ähnlich sein.

500.000 Kameras alleine in London

London etwa gilt als bestüberwachte Metropole der Welt - doch auch hier konnten die Videokameras die Terroranschläge nicht verhindern.

Dazu brauchte es wenn dann nicht nur die Bilder mutmaßlicher Terroristen, sondern auch die passende Software, die alle aufgenommen Videobilder damit vergleicht.

Datenflut aus Videobildern

Das würde zudem nur Sinn ergeben, wenn eben flächendeckend überwacht wird. Flächendeckende Überwachung würde aber auch zu einer wahren Datenflut führen - die erst einmal bewältigt werden will.

In London sind etwa 500.000 Kameras positioniert, in ganz Großbritannien bis zu zwei Millionen. In einigen Straßen Londons hängen die Kameras alle 15 Meter. Sie überwachen Fußgänger, Autos, U-Bahnen, öffentliche Gebäude, Touristenzentren. Die Kameras sind mit Monitoren in den Polizeiwachen oder bei privaten Wachdiensten verbunden.

In einem Londoner Problemstadtteil geht man noch weiter: Dort hängen 400 Kameras, deren Bilder auch in Privathaushalte übertragen werden. Auf diese Weise soll jeder Bürger zum Kampf gegen die Kriminalität beitragen.

Mehr Überwachung in Frankreich

In Frankreich ist seit Ende Jänner ein Anti-Terror-Gesetz in Kraft, das neben Kontrollauflagen für Internet-Cafes und strengeren Haftstrafen vor allem eine stark ausgeweitete Videoüberwachung ermöglicht.

So können auch "sensible" Industrieanlagen und Kernkraftwerke auf Anordnung der Präfekten, der Staatsvertreter in den Regionen, jetzt mit Videokameras überwacht werden. Das war früher nur mit einer besonderen Genehmigung der Justiz möglich.

Strenge Regeln in Spanien

In Spanien gibt es - nicht erst seit den Madrider Terroranschlägen vom 11. März 2004 mit 191 Toten - Überwachungskameras auf mehreren öffentlichen Plätzen, in Bahnhöfen und U-Bahnen.

Die Videoüberwachung unterliegt allerdings seit 1997 einem strengen Reglement. Die Aufzeichnungen müssen innerhalb eines Monats zerstört werden, es sei denn, sie zeigten ein Verbrechen. Unabhängige Expertenkommissionen aus Juristen, hohen Beamten und Politikern entscheiden in jedem Einzelfall über die Genehmigung der Installation von Videokameras.

(dpa | Reuters | APA)