DVD-Nachfolgestreit erreicht Europa
Der Formatstreit zwischen Blu-ray und HD-DVD hat Europa erreicht: Auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin geben die Hersteller am 1. September den Startschuss für die Vermarktung ihrer Anwärter auf die DVD-Nachfolge. Experten rechnen mit einer langsamen Verbreitung.
Der erste Praxis-Test in den USA, wo die beiden nicht miteinander kompatiblen Standards seit einigen Wochen gegeneinander antreten, zeigte bereits zweierlei: Die Verbraucher üben sich zunächst einmal in Zurückhaltung, und die neue Technik ist nicht frei von Kinderkrankheiten.
Ein Zeichen dafür, dass die beiden großen Industrielager auch in Europa einen langen Atem haben müssen.
Kritik an mangelnder Bildqualität
Erste Testberichte über die neuen Player fielen recht nüchtern aus. Zu den Kritikpunkten gehörten schleppende Bedienung, laute Lüfter und bei manchen Geräten und Filmen ausgerechnet auch noch Mängel bei der Bildqualität - dem eigentlichen Grund, sich für viel Geld einen hoch auflösenden Videoplayer anzuschaffen.
Spärliche Daten über Marktstart
Informationen über den Marktstart in den USA sickern nur spärlich durch. Und sie sind unvollständig: Es gibt Daten des Marktforschers NPD Group, wonach in den ersten sechs Wochen 33 Prozent mehr Player des HD-DVD-Formats verkauft wurden. Mit Blu-ray-Geräten seien aber wiederum 42 Prozent mehr Umsatz gemacht worden, heißt es.
Der Grund dafür ist schlicht der Preisunterschied - während die HD-DVD-Player in zwei Ausführungen für 500 und 700 Dollar in den Handel kamen, geht es bei einem Blu-ray-Gerät wegen der teureren Technik erst ab 1.000 Dollar los.
HD-DVD ist günstiger in der Produktion, hat aber mit bis zu 30 GByte weniger Speicherplatz als die Blu-ray Disc, die auf bis zu 50 GByte kommen kann. Beide ermöglichen die Speicherung von hoch auflösenden Filmen.
Vier von 1.000 Playern mit HD
Die absoluten Verkaufszahlen blieben bisher verborgen. Es gibt lediglich indirekte Angaben. So soll der Anteil der neuen Geräte bei den Stückzahlen 0,4 Prozent ausgemacht haben: Auf vier verkaufte Abspielgeräte beider neuer Formate kamen 996 herkömmliche DVD-Player und -Recorder.
Beim Umsatz lag der Anteil der neuen Technik immerhin bei 3,6 Prozent - wegen des deutlichen höheren Preises. Der herkömmliche DVD-Player dominiert den Markt demnach weiterhin mit 86,2 Prozent bei den Stückzahlen und trotz des Preisdrucks mit 65,6 Prozent beim Umsatz. Den Rest macht das wachsende Segment der DVD-Recorder aus.
Branchenbeobachter wie das US-Unternehmen Screen Digest rechnen damit, dass die Verkäufe von Videos in hoch auflösenden Formaten im Jahr 2010 in den drei wichtigsten Regionen USA, Japan und Europa weniger als ein Drittel des Marktes ausmachen werden - elf von 39 Milliarden Dollar.
Lange Koexistenz erwartet
Experten rechnen damit, dass die beiden Formate über längere Zeit nebeneinander existieren werden. Am Ende könnte sich ein Kombi-Laufwerk durchsetzen, das sowohl HD-DVD als auch Blu-ray abspielen kann.
Für eine lange Koexistenz der beiden HD-Formate [High Definition] spricht auch die Macht der beiden Industriegruppen, von denen keine die andere so ohne Weiteres verdrängen kann.
Hinter Blu-ray stehen Elektronikriesen wie Sony und Panasonic, im Lager der HD-DVD sind die Konkurrenten Toshiba und NEC, aber auch Computer-Giganten wie Microsoft und Intel.
Sony setzt zusätzlich auf die PlayStation 3 als Zugpferd, die im November in die Läden kommt und wohl das günstigste Blu-ray-Abspielgerät wird.
Blu-ray ist das Porno-Format
Beim zweiten wichtigsten Kaufargument neben dem Preis - dem Filmangebot - liefern sich die Rivalen ein Kopf-an-Kopf-Rennen: Die meisten Hollywood-Studios veröffentlichen Filme in beiden Formaten.
In Amerika sind derzeit 83 Titel in HD-DVD auf dem Markt und 57 in Blu-ray. Zum Weihnachtsgeschäft sollen weitere folgen.
Blu-ray konnte allerdings einen nicht zu vernachlässigenden Erfolg für sich verbuchen: Die Produzenten von Pornofilmen haben sich darauf geeinigt, ihre Filme ausschließlich auf Blu-ray herauszubringen.
Manche rechnen rund um die DVD-Nachfolge mit einer Schlammschlacht, andere halten das für völlig übertrieben. In Einem sind sich aber alle einig: Siegen wird nicht die bessere Technologie, sondern der bessere Content.
(dpa)