CIA-Vollzugriff auf SWIFT-Finanzdaten
Zwar wurde im Juni bekannt, dass der US-Geheimdienst CIA europäische Banktransaktionen mittels SWIFT überwacht - über das Ausmaß der betroffenen Daten gibt es allerdings nur Spekulationen. Deutsche Datenschützer vermuten, dass die CIA einen Vollzugriff auf die Daten hat, und wollen nun die Abschaltung von SWIFT USA durchsetzen.
Unklare Datenlage
Zwei Monate, nachdem bekannt geworden war, dass Millionen Datensätze europäischer Finanztransaktionen in Kopie an die CIA gegangen waren, gibt es noch immer keinerlei offizielle Aussagen aus Europa, welche und wie viele Datensätze seit 2001 betroffen sind.
Die einzige Zahl, die in der gesamten Affäre bisher von informierter Stelle genannt wurde, stammt vom Österreicher Günther Gall, einem der Aufsichtsräte von SWIFT, der internationalen Verrechnungsstelle für Bankdaten.
30 Millionen Datensätze
"Weniger als ein Prozent" des gesamten Datenaufkommens sei an die CIA gegangen, sagte Gall zu ORF.at. Bei 11,5 Millionen täglichen Datentransfers entspricht das etwa 30 Millionen Datensätzen pro Jahr.
Seit etwa zwei Wochen liegen die Antworten von SWIFT auf die Anfragen der belgischen Datenschutzkommission den europäischen Datenschutzbehörden vor, Auskünfte über deren Inhalt sind äußerst rar.
Datenschutzkommission Österreich
"Zu heikel, dieses Thema im Moment", sagt Waltraut Kotschy von der österreichischen Datenschutzkommission auf die Frage nach der Art und Weise des Datentransfers - wie nämlich die CIA an Millionen von Datensätzen gelangt ist.
Mehrere Anfragen im Büro des Vorsitzenden der "Artikel-29-Gruppe" der EU, Peter Schaar, blieben mit dem Hinweis auf die laufende Untersuchung unbeantwortet. Dieses oberste EU-Datenschutzgremium tritt Ende September wieder zusammen, dann werde man mehr wissen, heißt es auch aus Österreichs Datenschutzkommission.http://futurezone.orf.at/it/stories/129489/htt p://futurezone.orf.at/it/stories
Datenschutzexperte Thilo Weichert
Thilo Weichert, einer der wenigen behördlichen Datenschützer, denen das öffentliche Sprachvermögen seit Beginn der Affäre nicht abhanden gekommen ist, hat einen ganz konkreten Verdacht.
"Ich kann mir nicht vorstellen, dass nur ein Prozent der Datensätze ausgewertet wurde", sagte der Leiter des unabhängigen Landes-Datenschutzzentrums Schleswig-Holstein am Donnerstag zu ORF.at.
"Komplexere Auswertungen"
Weichert ist vielmehr sicher, dass die Suche der CIA-Agenten über den gesamten Datenbestand von SWIFT gelaufen ist. "Offensichtlich wurden komplexere Auswertungen durchgeführt, denn anders macht das keinen Sinn."
Die angesprochene Zahl von 30 Millionen Datensätzen könne er zwar nicht aus eigenen Informationen bestätigen, sagte Weichert. In jedem Fall handle es sich aber um das Resultat des Auswertungsvorgangs, der nur über alle Datensätze gelaufen sein könne.
Die Datenaufsicht
Dafür sprechen auch die Aussagen seitens der US-Regierung, so Weichert weiter, nämlich "dass SWIFT-Angestellte bei der Auswertung dabei sein durften".
Tatsächlich hatte der für Terrorismusbekämpfung und "Financial Intelligence" zuständige Beamte des US-Finanzministeriums, Stuart Levey, gegenüber der "Washington Post" erklärt, Personal von SWIFT sowie der Beratungsfirma Booz Allen Hamilton hätten die Suchvorgänge beaufsichtigt.
Der Ex-Finanzminister der USA
Der scheidende Finanzminister John W. Snow wiederum hatte am 23. Juni bei einer Pressekonferenz eine klare Aussage getätigt. Da man bei SWIFT [technisch] nicht in der Lage gewesen sei, die geforderten Informationen aus dem Datenbanksystem zu extrahieren, habe SWIFT alle Daten übergeben.
"SWIFT USA abschalten"
Für Datenschützer Weichert ist nach der rechtlichen Bewertung der Affäre anhand des deutschen Datenschutzgesetzes die weitere Vorgehensweise klar: SWIFT müsse die Komplett-Spiegelung aller Datensätze in seinem US-Datencenter sofort stoppen.
"Das Abschalten von SWIFT USA können wir auch rechtlich durchsetzen", sagt Weichert, "da sind wir guten Mutes." Der Weg müsse aber über die Banken führen, die dann als Genossenschafter ihrerseits SWIFT den Auftrag dazu erteilen.
Vorerhebungen in Wien eingestellt
Kotschy konnte die Frage nach dem Vollzugriff weder bestätigen noch dementieren. Man sei "vielleicht noch nicht ganz vollständig informiert", hieß es.
Auch bei der belgischen Datenschutzbehörde konnte man die Anfrage von ORF.at zu den näheren Umständen des Datenzugriffs der CIA wenigstens in dieser Woche nicht beantworten.
Eine neuerliche Anfrage bei SWIFT läuft ebenfalls. Die Staatsanwaltschaft Wien hat die Vorerhebungen gegen SWIFT-Aufsichtsrat Gall inzwischen ad acta gelegt.
Der Verlauf der SWIFT-Affäre in chronologischer Reihenfolge
(Erich Moechel)