Cracklizenz für Musikindustrie erst 2003
Der umstrittene US-Gesetzesentwurf des Kongressabgeordneten Howard Berman, der Urheberrechtsinhabern erlauben soll, Peer-to-Peer-Plattformen aktiv anzugreifen, soll noch einmal überarbeitet und anschließend erneut im Kongress eingebracht werden.
Ein Mitarbeiter Bermans sagte jetzt, dass einige Kritikpunkte, die in der bisherigen Diskusion vorgetragen wurden, berechtigt seien und dass dadurch eine gründliche Überarbeitung notwendig sei. Bisher hatte das Team um Berman nur davon gesprochen, dass Änderungen nötig seien, "um Missverständnisse zu vermeiden".
Der neu formulierte Entwurf kann allerdings erst wieder in den neu gewählten Kongress eingebracht werden, der ab Januar 2003 tagt. Dadurch wird der wahrscheinliche Beschluss des Gesetzes um mindestens eine halbes Jahr verschoben.
Musikindustrie soll Tauschbörsen hackenDer Gesetzesvorschlag
Nach Bermans P2P Piracy Prevention Act sollen Copyright-Inhaber das Recht zur Umleitung oder Unterbrechung der Übertragungen bis zu File-Blocking oder aktiver Schädigung der P2P-Netze bekommen, wenn ohne Erlaubnis des Eigentümers geschützte Werke verteilt werden.
Der Entwurf nennt keine Details, welche Techniken wie etwa Viren, Würmer, DoS-Attacken oder Domain-Entführungen erlaubt werden sollen. Er erlaubt den Urheberrechtsinhabern nicht, die Files zu löschen, begrenzt aber die Möglichkeiten der Betroffenen, wenn doch einmal Daten gelöscht wurden.
Der Vorschlag wurde von der Unterhaltungsindustrie bereits mit Begeisterung aufgenommen. "Es wäre verrückt, wenn ein Label diese Möglichkeit nicht nutzen würde", sagt Cary Sherman, Präsident der RIAA.
Bei der ersten Anhörung zu dem umstrittenen Gesetzesentwurf vor rund einem Monat waren die Befürworter eindeutig in der Mehrheit vor allem über die "Angstmacherei" der Gegner verärgert.
Mehrheit für Hack-Attack-Gesetz"Albtraum" und "Selbstjustiz"
Die Kritiker des Gesetzentwurfes konzentrieren sich vor allem auf zwei Argumente: Weder ist genau festgelegt, welche Arten von technologischen Angriffen erlaubt werden sollen, noch ist für Betroffene ein Regressanspruch vorgesehen, wenn ein Rechner eines Users versehentlich ins Visier der Unterhaltungsindustrie gekommen ist.
Die IT-Industrie und andere Branchen halten den Entwurf für wenig geglückt. De facto gefährde er das Überleben der Peer-to-Peer-Technologie.
"Das Gesetz ist ein Albtraum", bringt es Mark Lemley auf den Punkt. Er unterrichtet Urheberrecht und Geistiges Eigentum an der Universität von Kalifornien in Berkeley. Gerade nach dem 11. September sei es verwunderlich, dass die Kongressmitglieder bereit seien, die IT-Sicherheit des Landes zu opfern, nur damit Hollywood ein weiteres Mittel gegen Piraterie einsetzen könne.
Nichts anderes als "Selbstjustiz im 21. Jahrhundert" sieht Will Rodger von der Computer and Communications Industry Association [CCIA] in dem Entwurf. Die CCIA, der Mitglieder wie AOL Time Warner, Sun, Nokia, Fujitsu und Oracle angehören, werde den Entwurf mit allen Kräften bekämpfen. Wie Lemley ist auch Rodger der Meinung, einziger tatsächlicher Effekt des Gesetzes werde das Abwürgen der wichtigen Peer-to-Peer-Technologie sein.
Scharfe Kritik an Hack-Attack-GesetzSchlichtungsversuch
Das überarbeitet Gesetz soll offensichtlich vor allem genauer definieren, in welchen Fällen das Cracken von P2P-Netzwerken erlaubt sein soll, damit wirklich "nur" Musik- und Filmtauschnetzwerke in seinen Geltungsbereich fallen.
Ein Mitarbeiter des US-Wirtschaftministeriums versuchte unterdessen, zwischen IT- und Inhaltsindustrien zu vermitteln.
Auf der gleichen Veranstaltung, auf der auch die Überarbeitung des Berman-Entwurfs angekündigt wurde, sagte Bruce Mehlman, dass Hollywood und das Silicon Valley stärker kooperieren und damit den Missbrauch von geschütztem Material verhindern sollten ,ohne die Konsumentenrechte zu stark einzuschränken.