Im Kampf um die digitalen Rechte
Das Wiener Netzkultur-Festival Paraflows '06 wurde am Sonntag mit einer politischen Diskussion eröffnet. Vertreter der Piratenparteien Österreichs und Schwedens stellten ihre Programme vor. Im Publikum saß auch ein Vertreter der Grünen, die bereits zarte Annäherungsversuche machen.
Selbst der Grünen-Vertreter, der vorerst unerkannt bleiben möchte, gab zu, dass seine Partei offensichtlich an den Themen und Sorgen der Jugendlichen deutlich vorbeischrammt.
Erste Gespräche mit den Grünen
Zwar decke das grüne Parteiprogramm eine Reihe der von den Piratenparteien angesprochenen Themen ab, etwa die Unterstützung von freier Software, doch es fehle an der passenden Kommunikation, so der grüne Lokalpolitiker.
Vielleicht holen sich die Grünen ja Tipps: Ein erstes Gespräch zwischen Grünen und der österreichischen Piratenpartei habe es schon gegeben, berichtete der Gründer der österreichischen Piratenpartei, Florian Hufsky.
Digitale Rechte im digitalen Zeitalter
In einer zunehmend vernetzten und globalisierten Welt geht es den Bewohnern, den "Netizens", ganz offensichtlich weniger um Themen wie Steuern, Kindergartenplätze oder Gleichberechtigung, sondern um ihre ganz persönlichen Rechte in ihrer digitalen Heimat.
Denn selbst wenn der Name den Kampf um das Filesharing in den Vordergrund der öffentlichen Aufmerksamkeit drängt, den Piratenparteien geht es um mehr: Am Auftaktabend des Symposions im Rahmen von Paraflows '06 sprachen Hufsky und Rick Falkvinge von der schwedischen Pirat Partie vor rund 50 Zuhörern auch über Software-Patente.
Paraflows ist eine Veranstaltungs- und Vortragsreihe zum Thema Netzkultur, die heuer zum ersten Mal stattfindet.
Recht auf private Kommunkation
Auf den ersten Blick erstaunlich, lässt doch der Parteiname eigentlich vermuten, dass es den Mitgliedern vor allem um den straffreien, kosten- und hemmungslosen Austausch von urheberrechtlich geschützten Filmen und Musik geht. Doch der Name ist weniger Programm, als er vermuten lässt.
Falkvinge leitet die Existenzberechtigung der schwedischen Pirat Partie etwa von einer viel grundsätzlicheren Frage ab: "Haben wir das Recht, privat und ohne Überwachung zu kommunizieren?" Wenn ja, dann legitimiere das auch das Filesharing, wenn nein, dann bleibe nur mehr Überwachung über.
Wem gehört der Content?
In einer Welt, in der jeder selbst Inhalte produzieren und zum Urheber werden kann, indem er eigene Texte, Videos oder Musik ins Netz stellt, stellen die Piratenparteien indirekt die Frage: Wem gehört Content, sobald er online ist? Bestimmt das Netz den Inhalt oder der Inhalt das Netz?
Darf Content im grundsätzlich basisdemokratischen Internet auch basisdemokratisch genutzt werden – und wenn ja: Gilt das eigentlich für alle? Auch für die Film- und Musikindustrie?
Ja, meinen die Piratenparteien - solange die Rechte aller geschützt werden, und zwar die der Künstler und der Kunden und Konsumenten. Sie verteidigen das Recht auf Privatkopie, also digitale Inhalte ohne Kopierschutz und zig Nutzungsklauseln.
Im Wiki der österreichischen Piratenpartei finden sich allerhand Erklärungen zu den Themen, unter anderem diese:
"Wir decken nicht Leute, die Urheberrechte verletzen, um damit selbst Gewinn zu machen, in dem sie z.B. illegal erworbene, gecrackte Software vervielfältigen und verkaufen. Diese Leute sollen weiterhin strafrechtlich verfolgt werden. Die Leute, die wir vertreten, sind die Hundertausenden Nutzer von P2P-Netzwerken, die sich Musik oder Filme nur für den eigenen, privaten Gebrauch runterladen und die keinerlei Gewinnabsicht haben."
Industrie verärgert Nutzer
Für Hufsky etwa war das Vorgehen der Musikindustrie gegen den jüngsten Webcam-Karaoke-Trend im Netz seine ganz persönliche Initialzündung für die Parteigründung.
Dabei wurden YouTube-Nutzer von der Musikindustrie unter Klagsdrohung aufgefordert, ihre Videos mit Playback-Interpretationen von Chart-Hits älteren und jüngeren Datums von der Website zu entfernen.
Die Begründung: Die Bebilderung von urheberrechtlich geschützter Musik stehe allein dem Rechteinhaber zu.
"Politiker hören nicht auf junge Leute"
Dem folgte zwar ein Aufschrei im Netz, in der Offline-Welt und auch der Politik blieb dieser weitgehend ungehört.
Für Hufsky war klar, wenn er diese Themen hier zu Lande an die breite Öffentlichkeit bringen will, muss er eine Partei gründen: "Die Politiker hören nicht auf die jungen Leute", so Hufsky. Filesharing ist für ihn auch Demokratisierung, Unabhängigkeit vom Geschmacksdiktat der Musikindustrie.
Gemeinsam etwas erreichen
Ähnlich argumentiert Falkvinge und sieht seine Partei durchaus als erst zu nehmendes Machtintrument. "Wenn sie [die Politiker] sich nicht die Zeit nehmen, unsere Themen zu verstehen, dann könnten sie demnächst keinen Job mehr haben", so Falkvinge in Anspielung auf die kommenden Sonntag stattfindenden Wahlen in Schweden.
Er glaubt zudem an einen Schneeballeffekt und nicht an einen kurzzeitigen Aktivismus. Derzeit sei die allgemeine Erfahrung, dass man etwas erreichen könne, wenn man zusammen für seine Rechte einstehe. "Ich habe es nicht erschaffen, ich habe nur die Teile entfernt, die bisher blockiert haben."
(futurezone | Nadja Igler)