Unterricht mit der Musikindustrie

12.09.2006

Mit der Aktion "Ideen sind etwas wert" will die österreichische Musik- und Filmwirtschaft auf den Wert geistigen Eigentums aufmerksam machen. In dem den Schülern zur Verfügung gestellten Material werden mit Unterstützung des Unterrichtsministeriums jedoch Lobbyisten-Standpunkte transportiert.

Seit September 2005 richtet sich der Verband der österreichischen Musikwirtschaft [IFPI] unterstützt vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur mit dem Schulprogramm "Ideen sind etwas wert" an Österreichs Schüler, um über das Thema geistiges Eigentum zu informieren. Heuer ist erstmals auch die Filmwirtschaft in das Projekt eingestiegen. In den in acht Kapiteln umfassenden Lehrmaterialien kommt dabei neben der Bedeutung der Kreativwirtschaft für Österreich und allgemeinen Informationen zur Musik- und Filmbranche auch das Thema "Musik und Film aus dem Internet" ausführlich zur Sprache.

Tendenziöse Informationen

Bei näherer Durchsicht weisen die Unterrichtsmaterialien jedoch tendenziöse Informationen und Leerstellen auf. So wird zwar im Zusammenhang mit dem Thema Online-Tauschbörsen ausführlich auf die Gefahren von Viren und Spyware hingewiesen, die Verwendung ähnlicher Software beim CD-Kopierschutz durch Musikkonzerne findet hingegen keine Erwähnung.

Im Herbst vergangenen Jahres brachte das Label Sony BMG bei ausgewählten CD-Veröffentlichungen in den USA einen CD-Kopierschutz zum Einsatz, der auf den Rechnern seiner Nutzer ungefragt Spionagesoftware installierte. Infolge kam es zu Sammelklagen und Entschädigungszahlungen des Musikkonzerns.

Auch nach Informationen zur Internet-Urheberrechtsinitiave Creative Commons, deren Lizenzen von zahllosen Musikern dazu verwendet werden, um ihre Musik über das Internet zu verbreiten, sucht man vergebens.

Der US-Verfassungsrechtler Lawrence Lessig sieht die Entfaltung von Kultur und Kreativität durch geltendes Urheberrecht bedroht. In seinem jüngsten Buch betont er, dass die durch neue Technologien entstandene Freiheit geschützt werden muss.

Ausgeblendet werden auch Statements von Musikern, die sich in der Vergangenheit positiv über Tauschbörsen geäußert hatten, wie etwa die UK-Chartstürmer Franz Ferdinand oder der US-Rapper Chuck D. Dafür wird das österreichische Popsternchen Christina Stürmer mit den Worten "Illegaler Download ist Diebstahl" zitiert.

Für Thomas Böhm, Pressesprecher der IFPI, informieren die Materialien in kompakter und einfacher Form über die Musik- und Filmbranche. "Die Themen werden differenziert und ohne jede Einseitigkeit behandelt, es kann aber nicht auf jeden Teilaspekt im Detail eingegangen werden", teilte er der Futurezone auf Anfrage mit.

"Lobbyisten-Text"

Peter Rantasa, Vorstandsmitglied des IMC - International Musical Council der UNESCO, findet es "richtig und wichtig", dass geistige Eigentumsrechte thematisiert werden. Nicht zuletzt auch darum, weil diese für die künftige Wissensgesellschaft extrem wichtig seien, betont Rantasa. Der durch neue Technologien und Globalisierung eingeleitete Strukturwandel, der Produktions-, Distributions- und Wertschöpfungsmodelle radikal verändert, werde durch das Papier jedoch nur ungenügend abgebildet.

"Hier liegt ganz klar ein Lobbyisten-Text des Fachverbandes für Musikwirtschaft vor. Es wäre jedoch für die Zukunft wünschenswert, wenn das Unterrichtsministerium im Sinne der Information der Schülerinnen und Schüler dafür Sorge trägt, dass die vermittelte Information auch objektiv ist", meint Rantasa gegenüber der Futurezone: "Das ist ein bisschen so, als würde im Schulunterricht zum Straßenverkehr lediglich der Standpunkt der Autofahrer vermittelt und jener der Fußgänger und Radfahrer vollkommen außer Acht gelassen."

Bisher wurden die Lehrmaterialien 3.000 Mal angefordert und kommen in rund 2.000 mittleren und höheren Schulen unter anderem in den Fächern "Musikerziehung", "Wirtschaftskunde", "Informatik" und "Politische Bildung und Recht" zum Einsatz. Nach Angaben von Waltraud Zeman, die im Organisationsbüro der Initiative die Bestellungen der Materialien entgegennimmt, werde das Projekt vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur wohlwollend unterstützt und in Fachpublikationen beworben. Seitens des Unterrichtsministeriums blieb eine Anfrage der Futurezone bezüglich der Problematik bis dato unbeantwortet.

Mit der Initiative „Ideen sind etwas wert“ versucht die heimische Musik- und Filmbranche österreichischen Schülern ihre Sicht der Dinge zum Thema Urheberrecht im Internet nahezubringen.

Erstellt wurden die Lehrmaterialen von der Wiener PR-Agentur Skills in Zusammenarbeit mit einem pädagogischen Beirat unter Vorsitz von Heribert Pröbstl vom Wiener Haydngymnasium. Der sprach bei der Präsentation der Unterlagen von einem "fix-fertigen Arbeitsprogramm", das "stark fächerübergreifend" funktioniere und einfach umzusetzen sei. Regina Niedermayer vom Brigittenauer Gymnasium betonte an selber Stelle, dass es wichtig sei, Wertehaltungen schon früh zu vermitteln: "Die verändern sich später nur noch schwer."

(futurezone | Patrick Dax)