Wie die CIA SWIFT-Daten durchsucht

12.09.2006

Mit "Scoring"-Methoden wird vor allem der Zahlungsverkehr der arabischen Welt systematisch nach Spendengeldern islamischer Hilfsorganisationen durchkämmt und Banken genötigt, Konten zu schließen. Finanzexperten kritisieren SWIFT, weil die Spiegelung aller Daten in den USA nicht eingestellt wurde.

Erkenntnisse

Die Mauer des Schweigens zur SWIFT-Affäre hat zwar bis jetzt gehalten, doch langsam bekommt sie Risse.

Vor allem darüber, wie viele Datensätze der internationalen Abrechnungszentrale für Finanztransaktionen mit welchen Mitteln von der CIA durchucht wurden, liegen nun Erkenntnisse vor.

Der Widerspruch

Wie passen die Beteuerungen der SWIFT-Führung, die CIA habe nur bestimmte Anteile der in SWIFT gespeicherten Datensätze erhalten, mit den Aussagen des scheidenden US-Finanzministers John Snow zusammen, der behauptete hatte, SWIFT habe alle angeforderten Daten zur Durchsuchung übergeben?

Die Zahlen

Die einzige bisher genannte Zahl von zuletzt 20 bis 30 Millionen Datensätzen pro Jahr resultiert aus einer Aussage von SWIFT-Aufsichtsrat Günther Gall genüber ORF.at, dass "weniger als ein Prozent des Gesamtdatenbestands" übergeben worden war.

Über die Jahre gerechnet kommt man so auf ungefähr zehn Milliarden Datensätze insgesamt, somit wurden etwas weniger als 100 Millionen davon mit Scoring-Methoden durchsucht. Die hier genannten Zahlen wurden übrigens bis dato von niemandem dementiert.

"Breit angelegte Scorings"

Das stimme beides, sagt ein mit der Angelegenheit Vertrauter zu ORF.at, die Datensätze seien nicht auf einmal, sondern nacheinander "portioniert" von SWIFT in eine Datenbank kopiert worden, die dann durchsucht wurde.

Die große Zahl der schließlich ausgewählten Datensätze resultiere daraus, dass "breit angelegte Scorings" über den jeweiligen Datenbestand gefahren wurden.

Das Punktesystem

Scoring ist eine Methode des Datamining, in der bestimmte Eigenschaften einer Überweisung nach einem Punktesystem bewertet und zusammengezählt werden.

Ist eine bestimmte Summe überschritten, wird der betreffende Datensatz markiert. Dieselbe Methode wird von den Banken selbst nach anderen Kriterien benutzt, um vor allem im Kreditkartenbereich Betrüger automatisch aufzuspüren.

Mustersuche in Arabien

Das heißt, es wird weniger nach Namen, vielmehr nach Mustern vor allem im Zahlungsverkehr von Banken aus der arabischen Welt gesucht. Die CIA hat somit einen völlig anderen Zugang zum Datenbestand von SWIFT als etwa die NSA zu den Datenzentren der US-Telekom AT&T.

Während dort gewissermaßen "live" an der zentralen Glasfaser alles gefiltert wird, was so daherkommt, hat die CIA Zugriff auf weitaus werthältigeres Gut: 100 Millionen übersichtlich strukturierte, historische Datensätze aus einer ganzen Reihe von Jahren.

Der Zahlungsverkehr der arabischen Welt wird so systematisch durchkämmt, muslimische Wohltätigkeitsorganisationen und deren Verbindungen nach Europa und in alle Welt sind das bevorzugte Ziel.

Aber auch alle Unternehmen werden durchforstet, die in irgendeinem Zusammenhang mit diesen Organisationen stehen, sowie deren Geschäftspartner.

"Wenig zimperlich"

Dann werden die beteiligten Banken unter Druck gesetzt, bestimmte Konten zu schließen, andernfalls werde die betreffende Bank vom US-Finanzmarkt ausgesperrt.

Man wisse ja, "wie wenig zimperlich" das Vorgehen der US-Behörden in solchen Fällen sei, sagt ein anderer Finanzexperte.

Laut Oesterreichischer Nationalbank [OeNB] wird in der Europäischen Zentralbank nach Wegen gesucht, die CIA-Spionage in Europas Auslandsüberweisungen zu stoppen.

Anders als in Deutschland wurde die OeNB nicht 2002, sondern erst im Juni 2006 darüber informiert.

Kritik an Datenspiegelung ...

Das alles sei nur möglich gewesen, weil alle Datensätze auch vollständig im US-Datencenter von SWIFT gespiegelt seien. Die "Sub-Poenas", einstweilige Verfügungen auf administrativem Weg ohne Einschaltung eines Gerichts - konnten nur deshalb greifen, weil die Daten physisch in den USA vorhanden waren.

... wurde nicht beantwortet

Warum hat SWIFT in den fünf Jahren systematischer Durchkämmung durch US-Geheimdienste nicht versucht, die Spiegelung aller Daten in den USA abzustellen, zumal man ohnehin über gleichwertige Datenzentren in London, Hongkong, Tokio sowie im belgischen La Hulpe verfügt?

"Diese Frage haben wir der SWIFT-Führung gestellt", sagt der oben zitierte Experte aus dem Finanzbereich, "beantwortet wurde sie nicht."

Europa zieht den Kürzeren

"Das ist High-Level-Policy - natürlich wird jetzt von den Europäern versucht, das alles auf höchster Ebene einfach auszusitzen", sagt ein anderer mit der Angelegenheit Vertrauter, da die Europäer gegen die USA, wenn es um mögliche Terrorfinanzierung gehe, "stets den Kürzeren ziehen."

In europäischen Finanzkreisen sei man zwar durch die Bank der Meinung, dass SWIFT gesetzwidrig handle - "man findet das alles furchtbar und kooperiert".

Was nicht gefunden wird

Genau die interessanten Konten des im arabischen Raum weit verbreiteten Untergrund-Banksystems fänden die US-Behörden mit "ihrem blinden Vertrauen in die Computersysteme" jedoch nicht, so der Finanzmann abschließend. Beim "Hawala-Banking" werden die Gelder nicht durch das Monopolsystem SWIFT, sondern bevorzugt durch Kuriere in Cash transferiert.

(Erich Moechel)