Krisenstimmung bei Telecom Italia
Nach Kritik der italienischen Regierung am geplanten Strategiewechsel der Telecom Italia ist deren Chef Marco Tronchetti Provera überraschend zurückgetreten. Nun wird heftig über die Zukunft von Europas fünftgrößtem Telefonkonzern spekuliert. Dieser hält vorerst am Verkauf seiner Mobilfunksparte TIM fest.
Marco Tronchetti Provera habe seinen Rücktritt während einer Sondersitzung des Verwaltungsrates am Freitagabend eingereicht, heißt es in einer offiziellen Erklärung.
Sein Nachfolger werde der 75-jährige Guido Rossi, der die Telecom Italia [TI] bereits während der Privatisierung 1997 geführt hatte. Rossi bekleidet derzeit den Posten des kommissarischen Präsidenten des Italienischen Fußballverbands. Er machte mittlerweile deutlich, dass er die bisherige Planung einer Abspaltung der Mobilfunksparte TIM von Telecom weiter verfolgen wolle.
Kritik aus der Politik
Tronchetti Proveras Plan, die Festnetz- von der Mobilfunksparte in getrennt operierende Bereiche zu trennen, die Aktivitäten des Unternehmens auf das Breitbandnetz zu konzentrieren und sich von der Mobilfunktochter TIM zu trennen, hatte in der italienischen Politik für heftigen Widerstand gesorgt.
Der italienische Regierungschef Romano Prodi hatte sich zuletzt "überrascht" über das Ausmaß der Umstruktruierungspläne beim größten italienischen Telefonunternehmen gezeigt und auch kritisiert.
Die Telecom Italia wurde zwar 1997 privatisiert, der italienische Staat hält allerdings die "Goldene Aktie" mit Vetorecht.
Verkauft das Unternehmen seine Mobilfunktochter TIM, wäre Italien das einzige große EU-Land mit keiner nationalen Mobilfunkgesellschaft.
Breite Ablehnung der Umbaupläne
Auch mehrere Minister hatten sich ablehnend geäußert und Tronchetti Proveras Rücktritt gefordert. Die Gewerkschaften riefen für letzten Mittwoch umgehend zu einem eintägigen Proteststreik gegen die Pläne auf.
Laut Analysten könnten die geplante Umstrukturierung zum Verkauf der TI-Mobilfunktochter TIM an ausländische Investoren führen. Damit sei die Wegrationalisierung Tausender Jobs verbunden.
TI hält an Plänen fest
Prodi blieb in einer ersten Reaktion auf den Rücktritt gelassen. "Ich beurteile Tronchetti Proveras Schritt nicht. Sein Entschluss betrifft nur das Unternehmen", so Prodi. Er beteuerte, dass er über die Umstrukturierungspläne nicht informiert worden war.
Tronchetti Provera will mit dem Rücktritt laut eigenen Aussagen verhindern, dass sein Konflikt mit Prodi die Zukunft des Unternehmens belastet. Der TI-Aufsichtsrat sprach sich allerdings erneut für die Umbauplänen aus und will laut italienischen Medien nächste Woche darüber abstimmen.
Vergangene Woche wurde bekannt, dass Konzernchef Tronchetti Provera mit dem australischen Medienmogul Rupert Murdoch über Senderechte für Filme und TV-Programme verhandelt. Er wolle sein Unternehmen als Medienkonzern neu erfinden, berichtete das "Wall Street Journal".
Im Streit mit der Regierung
Prodi hatte Tronchetti Provera beschuldigt, ihn bei einem Treffen im Juli nicht über die künftige Strategie des Unternehmens informiert zu haben.
Mehrere italienische Zeitungen berichteten allerdings, dass einer der höchsten Mitarbeiter Prodis Anfang September Tronchetti Provera schriftlich vorgeschlagen haben soll, dass der italienische Staat die Festnetzsparte kauft.
Damit solle verhindert werden, dass das Festnetz in ausländische Hände fällt. Kritiker von Prodi werfen ihm vor, dass er darüber informiert gewesen sein muss.
Prodi beteuert Unschuld
Am Samstag sagte Prodi, dass er vom Rücktritt nicht vorab informiert worden sei und dass dieser auch nichts mit seiner Kritik zu tun habe. "Das sind Unternehmensentscheidungen, die akzeptiert und respektiert werden müssen", so Prodi in Schanghai. Er beteuerte zudem erneut, dass er von den Plänen nichts gewusst habe.
Die italienische Wirtschaftszeitung "Il Sole 24" zitiert Tronchetti Provera am Samstag mit den Worten: "Es ist unmöglich, in einem Land zu leben, in dem der Regierungschef eine Sache sagt und etwas ganz anderes tut."
Politischer Druck auf TI steigt
Mittlerweile steigt in Italien der politische Druck auf die TI. Infrastrukturminister Antonio Di Pietro, der ebenfalls den Rücktritt des TI-Chefs gefordert hatte, meinte, es sei Zeit, sich die Sache genauer anszusehen. "Es ist Zeit, etwas Licht in diese Art des italienischen Kapitalismus zu bringen", so Di Pietro.
Die Ernennung von Guido Rossi zum neuen TI-Chef erhöhe zudem die Chancen, dass die hochverschuldete TI den Umschwung schaffe.
Erste Interessenten für TIM?
Grund für die Umstrukturierungspläne ist der Schuldenberg von 41,3 Milliarden Euro, den die TI in der Vergangenheit aufgehäuft hat. Das entspricht in etwa dem Marktwert des Unternehmens. Der Verkauf von TIM soll rund 35 Mrd. Euro in die Kassen der TI spülen.
Nach Angaben der Mailänder Tageszeitung "Corriere della Sera" [Samstag-Ausgabe] ist der amerikanische Investmentfonds Carlyle an der Übernahme der TIM interessiert.
2005 für 20 Mrd. Euro übernommen
Carlyle sei auf der Suche nach Partnern, um die Mobilfunkgesellschaft zu übernehmen. An der Übernahme würden sich weitere Investmentfonds wie Permira, Apax, Blackstoner und Kkr beteiligen, schrieb die Tageszeitung.
Die Telecom Italia hatte TIM in den 90er Jahren abgespalten und erst im vergangenen Jahr für 20 Milliarden Euro wieder in den Konzern integriert. Ziel war es, den Kunden kombinierte Mobilfunk- und Festnetzangebote machen zu können.
(AFP | APA | Reuters | dpa)