Konträre Rechtsauffassungen zu bwin

turbulent
19.09.2006

Der heimische Online-Wettanbieter bwin sieht sich im Kampf gegen Glücksspielmonopole durch EU-Rechtsprechung gestärkt. Die Casinos Austria werfen dem Anbieter jedoch eine falsche Rechtsauslegung vor.

Rund um die Rechtsstreitigkeiten des heimischen Online-Wettanbieters bwin herrschen unterschiedlichste Meinungen in der Branche: Nachdem die beiden bwin-Chefs vergangene Woche wegen Verdachts auf "illegales Glücksspiel" in Frankreich festgenommen wurden, flammt die Diskussion über staatliche Glücksspielmonopole erneut auf.

Neben Frankreich kämpft bwin in Deutschland mit großen Problemen. Einige deutsche Bundesländer beharren ebenfalls auf dem Monopol und haben bwin Sportwetten untersagt. Diesbezügliche Verfahren sind anhängig.

Das Gambelli-Urteil

Das staatliche Wettmonopol in Deutschland und in anderen Ländern sorgt seit längerem für Streit. Dabei geht es der EU-Kommission weniger um das Monopol an sich als darum, ob die Beschränkungen für private Wettanbieter nach EU-Recht gerechtfertigt sind.

Nach dem Gambelli-Urteil des Europäischen Gerichtshofs [EuGH] vom November 2003 darf der Schutz des Glücksspielmonopols nicht fiskalischen Interessen dienen. Würden die staatlichen Angebote so massiv beworben, wie es in Deutschland, aber auch in Frankreich der Fall sei, dürften private Anbieter nicht ausgeschlossen werden.

EU: Bedenken gegen Strafmaßnahmen

Ein Sprecher des zuständigen Kommissars Charlie McCreevy bestätigte nun, dass die EU-Kommission an weiteren Vertragsverletzungsverfahren gegen EU-Staaten arbeite, die den freien Wettbewerb von Sportwetten-Anbietern einschränken. "Viele nationale Gesetze zum Glücksspiel und zu Sportwetten sind unvereinbar mit der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit", betonte der Sprecher.

Die EU-Kommission werde voraussichtlich am 18. Oktober über weitere Fälle entscheiden. Dem Vernehmen nach könnte die Kommission auch ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Frankreich einleiten. Bereits im April hatte die EU-Behörde in dieser Angelegenheit Mahnschreiben gegen Deutschland, Dänemark, Finnland, Italien, Ungarn, die Niederlande und Schweden gerichtet.

Angemessene Maßnahmen

Brüssel wolle die Gesetzgebung zwar nicht regeln, die nationalen Bestimmungen müssten aber nicht diskriminierend und angemessen sein, sagte der Sprecher. "Wir bekommen eine Reihe von Beschwerden und werden weitere Fälle gegen Mitgliedsstaaten in Gang setzen, abhängig von der Analyse der Akten und Beschwerden."

Die EU-Staaten könnten nicht einerseits argumentieren, sie würden die Interessen der Verbraucher schützen, und andererseits Monopolisten gestatten, für Wetten zu werben.

Die bwin-Chefs wurden am Freitag bei einer Pressekonferenz verhaftet, bei der sie die Sponsorvereinbarung mit dem AS Monaco bekannt geben wollten. Am Montagabend kamen sie auf Kaution - insgesamt 600.000 Euro - wieder frei. Die Kaution diene dazu, allfällige Geldstrafen abzudecken und sicherzustellen, dass die beiden Vorstände zukünftigen Ladungen Folge leisten, heißt es in der Aussendung.

Casinos Austria: Kritik an bwin

Der Rechtsexperte der Casinos Austria, Dietmar Hoscher, glaubt, dass bwin die EU-Rechtssprechung falsch auslegt. Bwin dürfe mit der entsprechenden Lizenz in Österreich zwar Sportwetten anbieten, nicht aber Glücksspiele.

Bwin interpretiere das Gambelli-Urteil dahingehend, dass ein Unternehmen europaweit Glücksspiele anbieten darf, wenn es in einem EU-Land [im Falle von bwin in Gibraltar] eine Lizenz dafür hat. "Das Gambelli-Urteil sagt das nicht", meint Hoscher. Bwin habe das Urteil "entweder nicht gelesen, nicht verstanden oder negiert".

Zukünftige Entscheidungen

Die EU sage zwar, dass das Glücksspielmonopol gegen die Dienstleistungsfreiheit verstoße, erläuterte Hoscher. Dieser Verstoß könne laut EU aber auch aus verschiedenen Gründen gerechtfertigt sein. Ob ein Verstoß verhältnismäßig sei oder nicht, müssten die nationalen Höchstgerichte entscheiden.

Glücksspiele anzubieten in der Meinung, dass die Regelung künftig geändert werde, sei nicht zulässig, kritisiert Hoscher bwin: "Ich biete auch nicht Heroin an oder fahre auf der Autobahn 200 Stundenkilometer, weil ich denke, dass die entsprechende Regelung irgendwann geändert wird."

Frankreich-Entscheid bis Jahresende

In Frankreich erwartet bwin unterdessen eine Gerichtsentscheidung bis Jahresende. Bwin geht davon aus, dass vor einer Entscheidung durch das Gericht in Nanterre ein Urteil des EuGH in der Rechtssache "Placanica" - ein ähnlich gelagerter Fall eines italienischen Internet-Glücksspielanbieters - vorliege und in die Entscheidungsfindung des Richters in Nanterre einfließe.

Ein offizielles Strafverfahren gegen bwin sei bis dato nicht eingeleitet, hieß es weiter.

Laut Anordnung des Untersuchungsrichters muss bwin außerdem auf seiner Website in Zusammenhang mit dem französischen Angebot "innerhalb der nächsten Wochen einen gemeinsam mit ihm abzustimmenden Hinweis anbringen, wonach das Angebot in Frankreich gegen nationale Glücksspielvorschriften verstoßen könnte".

(APA)