Euro-Millionen für "gefühlte" Sicherheit

20.09.2006

Innerhalb der nächsten zehn Jahre sollen sämtliche Bahnhöfe Österreichs mit Überwachungskameras ausgestattet werden. Die Kosten dafür belaufen sich auf rund 20 Millionen Euro, über den Nutzen schweigen sich die Bahnen nicht nur in Österreich aus.

Rund 2.000 Videoüberwachungskameras sollen bis 2011 in österreichischen Bahnhöfen installiert werden. Damit wollen die ÖBB das Sicherheitsgefühl der Fahrgäste steigern und Vandalismusvorfälle eindämmen. Die Überwachungskameras werden aber auch zur Betriebsoptimierung eingesetzt, sagte ÖBB-Sprecher Nikolaus Käfer gegenüber ORF.at.

Die ÖBB planen auch die Videoüberwachung in Zügen. Nahverkehrszüge vom Typ Talent sind bereits mit Kameras ausgestattet.

Die Kosten der Überwachungsmaßnahmen belaufen sich auf 19,7 Millionen Euro. Den erwarteten materiellen Nutzen aus der Videoüberwachung, beispielsweise Einsparungen durch Verringerung von Vandalismusschäden, will Käfer nicht quantifizieren. Die ÖBB verweisen auf das gesteigerte Sicherheitsgefühl der Fahrgäste und auf positive Erfahrungen benachbarter Bahngesellschaften wie etwa der Deutschen Bahn AG.

Ausweitung auch in Deutschland

Auch deren Sprecher Michael Baufeld will über Zahlen nicht reden. Die Bahn AG stelle diesbezügliche Kosten-Nutzen-Rechnungen zwar an, da sie auch der Betriebsführung dienten. Diese Rechnungen würden allerdings nicht der Öffentlichkeit mitgeteilt, sagte Baufeld zu ORF.at. Derzeit sind in deutschen Bahnhöfen rund 3.000 Kameras installiert. Die Bahn AG erarbeitet gegenwärtig mit Unterstützung der deutschen Bundespolizei ein Konzept zur Ausweitung der Videoüberwachung.

Nach den versuchten Anschlägen auf deutschen Bahnhöfen wird nun über flächendeckende Videoüberwachung heftig diskutiert.

Schweiz: Kameras und Schulzug

In der Schweiz werden seit 2001 große Bahnhöfe und ein großer Teil der Regionalzüge mit Videokameras überwacht. Dazu, was diese Maßnahmen konkret bringen, will auch Roland Binz, Mediensprecher der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB), nichts sagen. Eine Kosten-Nutzen-Analyse sei sehr schwierig. "Die präventive Wirkung der Videoüberwachung ist jedoch gegeben", sagt Binz. "Die Vandalismusvorgänge sind markant rückläufig." Auch die Akzeptanzwerte bei den Kunden seien sehr hoch.

Die Videoüberwachung "ist jedoch alleine nicht selig machend", gibt Binz zu Bedenken. In der Schweiz sei sie Teil eines Gesamtkonzepts. Einerseits steigert die Bahnpolizei ihre Präsenz in Zügen und Bahnhöfen, andererseits setzen die SBB auf Aufklärung: Mit einem speziellen Schulzug wollen sie "Schüler und Jugendliche für den richtigen Umgang mit öffentlichen Verkehrmitteln sensibilisieren", sagt Binz.

ÖBB beantragt Aufzeichnung

Die ÖBB arbeiten unterdessen darauf hin, dass die geplanten Videokameras in den Bahnhöfen ihre Daten auch aufzeichnen dürfen. Dazu brauchen die ÖBB eine Genehmigung der Datenschutzkommission im Bundeskanzleramt. Entsprechende Anträge wurden bereits eingereicht.

Kritik von Datenschützern

Das Schweigen der Bahnen zum eigentlichen Nutzen ihrer Überwachungsmaßnahmen ruft Datenschützer auf den Plan. "Auf Basis von Sicherheitsgefühlen kann man doch keine Verfassungsrechte außer Kraft setzen," kritisiert Hans Zeger von der ARGE Daten.

Zeger ist über die fehlende Evaluierung nicht verwundert. Denn der Effekt der Videoüberwachung sei extrem gering, meint der Datenschützer.

Als Beispiel dafür führt er die österreichischen Banken an. Diese seien zu 100 Prozent videoüberwacht. In den vergangenen fünf Jahren seien aber die Banküberfälle um 76 Prozent gestiegen. Die Aufklärungsquote dieses Delikts sei von 70,4 Prozent im Jahr 2001 auf 44 Prozent im Jahr 2004 gesunken, argumentiert Zeger.

Gesetzliche Regelungen gefordert

Zeger mahnt seit längerem eine gesetzliche Regelung der verschiedenen Spielarten von Überwachung öffentlicher Räume an. Vor allem der Bereich der privaten Überwachung sei derzeit "völlig ungeregelt". Eine Verwaltungsregelung, in der auch Verwaltungsstrafen bei Nichterfüllung der Auflagen festgelegt werden, sei schon lange überfällig, meint Zeger.

(futurezone | Patrick Dax)