Japan im mobilen Foto-Fieber
Mayumi Kato nutzt ihres, um Fotos von sich an ihren Freund zu schicken - mehrmals pro Tag. Masato Kozu hat seines immer bei sich, um schnell reagieren zu können, falls er irgendwelchen Prominenten begegnet. Und Tierliebhaberin Itari Obata knipst einfach gerne Fotos von Katzen auf der Straße.
Handys mit integrierter Digicam sind derzeit das liebste Spielzeug der Japaner.
Experten rechnen damit, dass die Kamera-Handys auch in Europa und den USA, wo die ersten Modelle erst seit kurzem erhältlich sind, die Herzen der Mobiltelefon-Nutzer im Sturm erobern werden.
"Es ist eindeutig nicht nur eine kurzfristige Modeerscheinung, es ist ein Trend, der sich dauerhaft durchsetzen wird," bestätigt Masahiko Ishino, Analyst bei Mitsubishi Securities.
Kamera ist immer dabei
Besonders die einfach Bedienung und die kompakte Größe macht die
Geräte attraktiv. Mit wenigen Klicks ist ein Foto geschossen,
gespeichert und entweder an ein anderes Handy oder als E-Mail
verschickt. "Früher hatte ich nie einen Fotoapparat bei mir, wenn
ich ihn gebraucht hätte. Mit meinem Kamera-Handy kann mir das nicht
mehr passieren," schwärmt der Geschäftsmann Kiyonori Agake.
Trendsportart: Fotos schiessen
Auch die Suche nach neuen Anwendungsmöglichkeiten hat sich zu einem wahren Sport entwickelt.
Auf dem berühmten Tsukiji Fischmarkt in Tokyo sieht man Geschäftsleute, wie sie Bilder von Tonnen an gefrorenem Thunfisch an ihre Sushi-Köche schicken, bevor sie bei einer Auktion mitbieten.
Die Polizei in Oska bekommt inzwischen monatlich dutzende Fotos von besorgten Bürgern, die glauben ein Verbrechen beobachtet [und fotografiert] oder ein gestohlenes Auto oder einen gesuchten Kriminellen wiedererkannt zu haben.
Eine Video-Mikroskop Firma bietet ihren Kunden sogar an gratis Aufnahmen von ihrer Kopfhaut zu machen, um sie dann per Handy an Schönheitsinstitute zur Analyse zu versenden.
2002 weltweit 9,5 Millionen Kamera-Handys verkauft
In den ersten neun Monaten 2002 sind weltweit 9,5 Millionen
Kamera-Handys verkauft worden, 7,9 Millionen davon allein in Japan.
Marktführer ist der japanische Sharp-Konzern mit einem Absatz von
drei Millionen Stück, gefolgt von NEC, Panasonic und Toshiba.
Fotos als digitale Alibis
Unvermeidbar hat die Technologie auch in Herzensangelegenheiten bereits Einzug gehalten.
Die Bilder werden dabei oft als digitale Alibis verkauft. Man fotografiert sich selbst einfach nachmittags in der Arbeit und schickt dieses Bild später dann zur Beruhigung an den wartenden Ehepartner zu Hause, während man selbst seine "Überstunden" mit einer heimlichen Affäre verbringt.
"Man muss nur aufpassen, dass man dasselbe an hat wie am Foto, wenn man nach Hause kommt, " gibt Systemadministrator Atsushi Baba Tipps.
Auch Partnerbörsen erleben durch die Schnappschüsse mit dem Handy einen Aufschwung.
Das Handy und das Liebesleben
Das Mobiltelefon erfreut sich schon lange auch als Flirt-Medium
größter Beliebtheit. Vor allem via SMS wird auch hierzulande gerne
Liebesgeflüster ausgetauscht oder ein Treffen vereinbart. Doch nicht
nur der Anfang, auch das Ende einer Beziehung wird per SMS
mitgeteilt. Bei einer Umfrage in Großbritannien gaben 13 Prozent der
Befragten zu, schon per SMS "Schluss gemacht" zu haben.
Handy piepst beim Knipsen
Doch auch Voyeure freuen sich über die neue Technologie.
Hunderte von Webseiten mit Namen wie "Sneaky Shot Mania" und "Erotic Kingdom" schießen aus dem Boden und zeigen heimliche Aufnahmen von knutschenden Liebespärchen und erlauben Blicke unter die knappen Röcke von Frauen und besonders Schulmädchen.
Um dem heimlichen Missbrauch vorzubeugen haben die Hersteller alle Modelle mit einem lauten Signalton [und keiner Möglichkeit dies abzuschalten] ausgestattet, der ertönt sobald ein Foto geschossen wird.
Verkaufsverbot in Saudi Arabien
In Saudi Arabien ist der Verkauf von Kamera-Handys inzwischen
verboten worden, nachdem bekannt wurde, dass einige Männer die
Geräte missbrauchen würden, um heimlich Fotos von Frauen zu
schießen.
Perfektes Styling für Thumbnail-Foto
Beobachter wollen herausgefunden haben, dass Männer und Frauen die Kamera-Handys in verschiedener Art und Weise nutze. Während Männer am liebsten ihr Auto oder ihre Freundin fotografieren, knipsen sich Frauen am liebsten selbst, um zu sehen wie ihnen die neue Frisur oder die neuen Klamotten stehen.
Japanische Magazine geben inzwischen Tipps, wie man am besten in Thumbnail-Größe zur Geltung kommt.
"Wenn ich alleine bin, fotografiere ich mich selbst, um herauszufinden in welcher Position ich am besten auf den Mobiltelefon-Schnappschüssen aussehe," gesteht Eriko Mukai. "Aber natürlich bekommt diese Testbilder niemals jemand zu sehen."
Ein Handy mit integrierter Digicam kostet in Japan zwischen 50 und 250 Euro, der Versand eines Bildes schlägt mit sechs bis 16 Cent zu Buche.