Bwin trägt das Kreuz der ganzen Branche

21.09.2006

Nach der spektakulären Verhaftung der beiden Chefs des heimischen Online-Wettanbieters bwin in Frankreich geben sich diese geläutert. Sie trügen "das Kreuz der ganzen Branche - wie Jesus Christus", sehen sich aber weiterhin im Recht und dabei von der EU gestärkt. Den Aktionären stellt das Unternehmen für 2007 eine Gewinnerhöhung in Aussicht.

Mit großer Spannung wurde am Donnerstag der erste Auftritt der beiden bwin-Chefs Manfred Bodner und Nobert Teufelberger nach ihrer Verhaftung wegen Verdachts auf illegales Glücksspiel in Frankreich erwartet.

Zur Pressekonferenz erschienen die Co-CEOs des heimischen Online-Wettanbieters ganz leger, ohne Sakko und Krawatte, und stellten sich den Fragen der versammelten Presse gemeinsam mit Großaktionär Hannes Androsch und bwin-Anwalt Thomas Talos.

"Es war für uns beide die härteste Prüfung unseres Lebens", erklärte Bodner gleich zu Beginn. Nachdem die beiden in Südfrankreich von Geheimdienst-Mitarbeitern aus einer Pressekonferenz geholt worden waren, seien sie fast acht Stunden verhört und anschließen in eine Minizelle gesteckt worden, wo sie die Nacht auf einer Betonpritsche verbracht hätten.

Bwin sieht sich weiter im Recht

Die Verhaftung gehe aber "nach hinten los", rechtliche Schritte gegen die französischen Behörden würden bereits geprüft.

Generell sieht sich das börsennotierte Unternehmen im Kampf gegen Glücksspiel-Monopolisten nach wie vor im Recht: "Wir fühlen uns völlig im Einklang mit der europäischen Rechtssprechung", so Bodner.

Die EU-Kommission hatte sich in den letzten Tagen kritisch zum Vorgehen der französischen Behörden geäußert. Diese Aussagen aus Brüssel würden "einen Schub" für bwin bedeuten.

Im Fall der Glücksspielmonopole hat die EU bereits Vertragsverletzungsverfahren gegen sieben Länder eingereicht. Nach der nächsten Kommissionssitzung am 18. September könnten nun laut bwin neue Verfahren eingeleitet werden - darunter auch gegen Frankreich und eventuell Österreich.

"Fühlen uns wie Jesus Christus"

Das Unternehmen werde jetzt mit einer Kampagne in die Offensive gehen und Aufklärung betreiben. "Durch den Erfolg unserer Marktentwicklung haben wir das Kreuz der ganzen Branche zu tragen - wir fühlen uns schon wie Jesus Christus", so Bodner.

Bwins Rechtsauffassung

Bwin beruft sich dabei auf die EU-Vorschriften zum Niederlassungsrecht und den freien Dienstleistungsverkehr und sieht sich durch das EuGH-Urteil im Fall Gambelli weiter bestärkt. Das Urteil besagt, dass die Monopolerhaltung nicht fiskalischen Interessen dienen darf. Generell operiert bwin über seine Tochter bwin International Ltd., die über eine Lizenz in Gibraltar verfügt.

"Red-Bull-Effekt" und "Guerilla-Status"

Zwar hatte die bwin-Aktie enorm unter den jüngsten Entwicklungen zu leiden - das Geschäft sei aber ganz normal weitergelaufen. Auf der französischen Website etwa sei der Andrang am vergangenen Wochenende drei Mal so stark gewesen wie sonst.

Bodner interpretierte diese Entwicklung als "Red-Bull-Effekt". Der Soft-Drink-Hersteller profitierte in der Vergangenheit durchaus von Verkaufsverboten wegen angeblicher Gesundheitsrisiken in manchen Ländern und erreichte dadurch erst Kultstatus. Die Marke bwin bekomme durch die Turbulenzen generell "Guerilla-Charakter".

Fokus auf Gewinnerhöhung

Die Aktie erholte sich während der Konferenz etwas und lag zuletzt mit 18,72 Euro rund elf Prozent über dem Vortagesschluss. Am Ende des heutigen Handels schloss die Aktie bei 18,50 Euro, also mit einem Plus von 9,99 Prozent gegenüber dem Vortag.

Kleinaktionäre müssten sich laut Androsch nun überlegen, inwieweit sie an den Sieg der privaten Industrie oder den der Monopole glauben.

Für den demnächst anstehenden Ausblick auf das Geschäftsjahr 2007 wurde zudem eine mögliche Strategieänderung angekündigt - so könnten laut den bwin-Chefs die Marketingausgaben zurückgefahren und der Fokus auf eine Gewinnerhöhung gelegt werden.

Einen Zusammenhang mit ähnlichen Verhaftungen von Online-Wettanbietern in den USA sieht Teufelberger nicht direkt: "Die Fälle in den USA sind anders gelagert. Aber vielleicht waren die Franzosen vom Vorgehen der Amerikaner angespornt."

(futurezone | APA | Nayla Haddad)