Software-Patente wieder auf dem Tisch
Mitte Oktober wird über zwei Anträge für eine allgemeine Patentregelung in Europa abgestimmt. Die unter EU-Kommissar Charlie McCreevy geplante Regelung sei mit so hohen Verfahrenskosten verbunden, dass Europas kleine und mittlere Unternehmen dabei nicht mithalten könnten, lautet die Kritik.
Ein Jahr nachdem das Europäische Parlament die gemeinhin "Softwarepatente-Richtlinie" genannte Direktive der EU-Kommission mit großer Mehrheit abgeschmettert hat, ist das Thema wieder auf dem Tisch.
Am 11. oder 12. Oktober wird die EU-Volksvertretung in Brüssel über zwei gegensätzliche Entschließungsanträge zur europäischen Patentpolitik abstimmen.
Die beiden Anträge
Ein Antrag stammt von der konservativen Fraktion im EU-Parlament, der andere ist ein gemeinsamer Antrag von Sozialdemokraten, Grünen und der kleinen Gruppe GUE/NGL [Nordische Grüne].
Zwar stimmen alle Fraktionen darin überein, dass es in Sachen Anerkennung von Patenten eine gemeinsame EU-Regelung geben sollte, allein der Weg dorthin ist umstritten.
Die Bruchlinien verlaufen, grob gesagt, dort, wo die Interessen von internationalen Großkonzernen jenen der kleinen und mittleren Unternehmen gegenüberstehen.
Die geplante Streitregelung
Konservative Wortführer und EU-Kommissar Charlie McCreevy bevorzugen die Einsetzung einer neuen Instanz, nämlich des Streitregelungsabkommens EPLA [European Patent Litigation Agreement].
Dort sollen umstrittene Patentfälle geregelt werden, die Streitkosten betrügen pro Fall allerdings zwischen 90.000 und 140.000 Euro. Das seien Summen, die sich die kleinen und mittleren Unternehmen Europas nicht wirklich leisten könnten, meint die Abgeordnete Eva Lichtenberger [Grüne], die zusammen mit ihrer österreichischen Kollegin Maria Berger [SPE] den gemeinsamen Antrag erstellt hat.
Problematische Hintertür
Problematisch finden sie dieses Abkommen auch deshalb, weil es auf die European Patent Organization [EPO] aufsetzt, die hinter dem Europäischen Patentamt steht.
Da neben den EU-Mitgliedern auch Island , die Schweiz und die Türkei der EPO als Vollmitglieder angehören, würde eine neue europäische Körperschaft geschaffen, in der EU-Richtlinien teilweise nicht gültig seien.
Weil jedes national erteilte Patent innerhalb der EPO-Staaten wechselseitig anerkannt wird, werde hier erneut eine Hintertür zur Patentierbarkeit von Software geöffnet, wird befürchtet.
Quer durch die Parteien
Misstrauen herrscht nicht nur bei Grünen und Sozialdemokraten gegenüber Experten und Funktionären des Europäischen Patentamts [EPA]. Auch Teile der Konservativen und Liberalen haben angesichts der Prozesskosten ebenfalls Bedenken, ob eine derartige Regelung europäischen KMUs nicht nachhaltig schaden könnte.
Stimmen aus diesen beiden Fraktionen hatten maßgeblich zu der großen Mehrheit gegen Patentierbarkeit von Software beigetragen.
Softwarepatente, die bleiben
Obwohl Software EU-weit sowohl in nationalen Legislaturen als auch in internationalen Abkommen als nicht patentierbar festgeschrieben ist, hat das Europäische Patentamt [EPA] nicht nur eine große Zahl von [Trivial-]Patenten auf Software-Anwendungen erteilt.
Trotz Einspruchs wird zum Beispiel ein von Microsoft angemeldetes Softwarepatent - Datenformate für die Zwischenablage - vom EPA aufrechterhalten.
Die Patentierwut
Vor allem dass die generell als patentierwütig verrufenen Funktionäre und Experten des EPA in Zukunft womöglich identisch mit den Richtern in der europäischen Patentschlichtungsstelle sein könnten, könnte europäischen KMUs nachhaltig schaden, befürchten viele Abgeordnete aus allen Fraktionen.
Einfall der "Patent-Trolle"
Sollte ganz oben - in der Schlichtungsstelle - gewissermaßen grünes Licht für Patente auf alles und jedes gegeben werden, sei der Einfall so genannter "Patent-Trolle" vorprogrammiert.
Dabei handelt es sich um Unternehmen, deren Geschäftstätigkeit darin besteht, überall Patente aufzukaufen und andere Unternehmen gerichtlich anzugreifen. In den USA werden damit bekanntlich milliardenschwere Jahresumsätze lukriert, die von solchermaßen "überfallenen" Unternehmen wie z.B. Microsoft bezahlt werden.
Wer den Ton angibt
Dass europäische KMUs in einem derartigen Milliarden-Spiel keine Rolle spielen können, steht ebenso außer Zweifel, wie die Frage, wer beim internationalen Patentwesen den Ton angibt.
An die 90 Prozent aller Patente werden von internationalen Konzernen gehalten, der Anteil von KMUs und individuellen Erfindern ist verschwindend gering.
Der von EU-Kommissar McCreevy unterstützte Antrag mit der Aktennnummer B6-0000/20006 ist offenbar noch nicht im Netz verfügbar.
(Erich Moechel)