Dave Farber und die Netzneutralität
Der US-Netzwerkarchitekt und Kommunikationsprofessor Dave Farber hält die Aufspaltung großer Telekoms in Infrastruktur- und Service-Unternehmen in Europa für machbar. Nicht so in den USA, denn die Regulationsbehörde habe "nicht wirklich kapiert, worum es geht" - das zeige das Scheitern der US-Entbündelung.
Ein Professor, 25.000 Abonnenten
Warum Dave Farber seit Jahren zu den bekanntesten Persönlichkeiten der Internet-Szene gehört, hat nicht nur einen Grund, sondern sehr viele.
Zum Einen moderiert der erfahrene Netzwerkarchitekt und Professor der Carnegie-Mellon-Universität seit 1993 eine der größten, privaten Mailing-Lists im Netz.
Mit 25.000 Abonnenten erreicht Farbers "IP"-Liste [ = "interesting people"] praktisch die gesamte technische Avantgarde des TCP/IP Zeitalters, denn die Aussendungen Farbers werden von der internationalen Bloggerszene seit Jahren multipliziert.
Auf die Meinung dieses IT-Experten, der an den Netzwerkarchitekturen der Internet-Vorgängernetze [NSFnet et al] maßgeblich beteiligt war, legten auch Politiker seit Beginn der 90er Jahre zunehmend Wert.
Die Vorgängernetze des Internet
Berühmt wurde etwa Farbers Auftritt 1994 vor dem US-Kongress, als er vor negativen Implikationen warnte, wenn Überwachungsschnittstellen in die digitalen Netze eingebaut würden.
Dazu sprach er sich zum Ärger von Geheimdiensten und Polizei für eine Freigabe von damals noch nicht für den allgemein Gebrauch freigegebenen, sicheren Verschlüsselungsprogrammen aus.
Bill Clinton, FCC
Gegen Ende der 90er Jahre holte ihn dann Bill Clinton in sein Technologie-Berater-Komitee und im Jahr 2000 wollte auch die US-Regulationsbehörde [FCC] von der immensen Erfahrung des Professor Farber profitieren. Der hatte seine ersten Erfahrungen im Netzwerken bereits Mitte der 60er Jahre gemacht, als er am Design des ersten elektronischen Switches mitwerkte.
Allein mit Farber als obersten Technologieberater hatte man bei der FCC keine so rechte Freude, vor allem aber galt das auch umgekehrt.
"Seltsamer Job"
"Ich hatte dort eine ziemlich seltsamen Job. Ich musste Beamten erklären, wie das Internet funktioniert" sagte Farber, der rund um den "Internet-Summit" in der vergangene Woche mehrere Tage in Wien weilte, zu ORF.at. "Es ist nichts weitergegangen bei der FCC" und zwar deshalb, weil es die Beamten "nicht wirklich kapiert" hätten, was im Internet Sache sei.
=="Net neutrality", ergänzungsbedürftig==
Die gerade in den USA laufende Debatte über so genannte "Net Neutrality" ist für Farber so durchaus ergänzungsbedürftig. Die größte US-Telekom AT&T hatte mit ihrer Ankündigung, ein Zwei-Klassen-Netz einzuführen, in dem Daten eigener Services und beim Transport bevorzugt werden, grossen Wirbel unter Netz-Profis und Politikern ausgelöst.
Wie in Europa hatte man in den USA in den 90er Jahren unter dem Schlagwort "Entbündelung" gesetzgeberische Schritte zur Aufweichung der Quasi-Telekommonopole getan.
Albtraum Entbündelung
"Die Entbündelung war ein Albtraum. Alle Firmen, die entbündelt haben, flogen aus dem Markt", sagt Farber. Schuld daran sei ein falscher Ansatz der FCC gewesen, der es den großen US-Telekoms aber auch den unzähligen Kabelnetzbetreibern möglich machte, ihre Terrains gegen neue Mitbewerber erfolgreich zu verteidigen.
In Ermangelung eines geeigneten Instrumentariums musste jedes Unternehmen, das auf vorhandenen Netz-Monopolen eigene Dienste anbieten wollte, für jede einzelne US-Stadt Prozesse führen, um ihr Recht durchzusetzen. Das ging solange, bis der letzte Entbündler pleite war.
WLAN, Glasfaser
In Pennsylvania versuche die US-Telekom Verizon zum Beispiel gerade, sogar ein öffentliches WLAN-Netz gerichtlich zu verhindern, während die "Entbündelung" der Stromversorgung im selben Bundesstaat sehr wohl funktioniert habe.
Ob man mit dem Angebot von direkten Glasfaser-Anschlüsseln beim Endkunden unternehmerisch reüssieren könne, steht für Farber noch eher in den Sternen. Alle Versuche bisher hätten gezeigt, dass dies besonders "tricky business" sei, sagt Farber.
AT&T, Deutsche Telekom
Was also die "Net Neutrality" angehe, so sei die Situation von AT&T mit jener der deutschen Telekom sehr gut vergleichbar, die ihr neues Glasfasernetz erklärtermaßen nicht für andere Service-Anbieter öffnen will.
Dass in Europa immer wieder diskutiert werde, durch Abspaltung des "Services"-Bereichs von der Netzwerk-Infrastruktur bei Quasi-Monopolen mehr Chancengleichheit für alle Anbieter von Kommunikationsdiensten zu erreichen, "macht sehr viel Sinn" sagt Farber.
"Funktioniert nicht in den USA"
Das europäische Instrumentarium der EU-weiten Telekom-Regulationsbehörden sei an sich gut genug, dass so ein Unterfangen erfolgreich sein könnte.
Und in den USA?
"In den USA wird das nicht funktionieren", sagt Farber. Dort sei es allenfalls sinnvoll, über die Gerichte einzugreifen, denn die Judikatur arbeite generell wesentlich effizienter als die Regulationsbehörde FCC.
"Kabuki-Theater" Heimatschutz
Während seiner Tätigkeit bei der FCC leitete Farber auch das "Distributed Systems Laboratory" an der Universität von Pennsylvania, der Forschungsgegenstand hieß "Ultra High Speed Networking".
Warum Dave Farber die enorm hochgeschraubten Sicherheitsanstrengungen des US-Ministeriums für Heimatschutz für "Kabuki-Theater" hält, lesen Sie im zweiten Teil dieses Porträts, das im Verlauf der Woche hier erscheint.
(Erich Moechel)