"Outsourcing Big Brother"
Das genauso ambitionierte wie umstrittene Vorhaben des US-Verteidigungsministeriums, die weltweiten Datennetze "komplett" zu überwachen, um mögliche Terroraktivitäten frühzeitig zu erkennen, ist erneut in die Kritik von Datenschützern geraten.
Die Pentagon-Abteilung "The Information Awareness Office" [IAO, Büro für Informations-Bewusstseinsbildung] will Milliarden von Daten aus Telefon- und digitalen Datennetzen nach Verhaltensmustern durchforsten, um Terroristen zu fassen, bevor sie ihre Taten begehen.
Bürgerrechtler des "Center for the Public Interest" [CPI] werfen dem Projekt, das sich noch in der Anfangsphase befindet, jetzt nicht nur vor, mit der geplanten Überwachung zu weit zu gehen, sondern dabei auch noch zu viele sensible Bereiche in die Privatwirtschaft auszulagern.
Das beginne schon in der derzeitigen Forschungs- und Entwicklungsphase, die zum Großteil von privaten Firmen durchgeführt wird. Das CPI spricht daher von einem "Outsourcing" des "Big Brother".
USA wollen Internet komplett überwachenPlanungsphase läuft
Das IAO hat im November erste Ausschreibungen für die Beschaffung von Technologie an die IT-Unternehmen verschickt.
Dabei geht es derzeit offensichtlich vor allem darum festzustellen, ob und wie die Rasterfahndung im gewünschten Umfang überhaupt zu realisieren ist.
Mit einem Budget von 200 Millionen USD im Jahr sollen Methoden entwickelt werden, die selbst die Überwachungsmaßnahmen des US-Inlandsgeheimdienstes NSA weit in den Schatten stellen sollen.
Die Aufgabe der Abteilung liegt darin, Computersysteme für eine weltweite Rasterfahndungen zu installieren. Dabei wird ganz selbstverständlich auch die Auswertung von Daten geplant, die außerhalb des Hoheitsgebietes der USA gesammelt werden. Per Datamining sollen genaueste Profile möglichst vieler Menschen erstellt werden, wobei Transaktionen per Kreditkarte genauso ausgewertet werden wie E-Mails und Reservierungen in Reisebüros.
Information Awareness OfficeUmstrittener Chef
Umstritten ist das Projekt aber nicht nur wegen seiner Zielsetzung, sondern auch wegen des Leiters des IAO, des Ex-Admirals John Poindexter.
Poindexter ist ehemaliger Sicherheitsberater der US-Regierung und war eine der Hauptfiguren im Iran-Contra-Skandal, einer Affäre um Schwarzgeld aus Waffendeals der CIA mit Teheran, dessen Erlöse verwendet wurden, die rechtsextremen Contramilizen in Nicaragua zu finanzieren.
Derzeit läuft gegen ihn eine Art Infowar im Internet, wobei auf zahlreichen Websites persönliche Daten Poindexters kursieren.
So wurden seine Telefonnummer, seine Adresse, die Namen seiner Nachbarn, der Kaufpreis seines Hauses und sogar ein Lageplan seines Hauses ins Netz gestellt.
US-Überwacher im Netz überwachtKein Grund zur Sorge
Das Pentagon hat das Vorgehen des IAO gegen die jüngste Kritik mit dem Hinweis verteidigt, dass nur in der Entwicklungsphase private Firmen einen Großteil der Arbeit erledigen sollen. Die eigentliche Überwachungstätigkeit soll dann von Behörden durchgeführt werden.
Außerdem würden bereits heute ähnliche Filtertechnologien von der Privatwirtschaft eingesetzt, um zum Beispiel Kreditkartenbetrügern auf die Schliche zu kommen.
Insbesondere der letzte Hinweis dürfte Datenschützer aber eher nicht beruhigen: So hat ein US-Konsortium, dem unter anderem Visa und American Express angehören, Anfang des Jahres angekündigt, zu überlegen, wie aus den gesammelten Kundendaten der Finanzinstitute "terrorismusverdächtige" Personen herausgefiltert werden könnten.
Nach Bedenken von Datenschützern hat sich das Konsortium allerdings nicht mehr zum Thema geäußert. Der Fall zeigt jedoch, wie staatliche und private Überwachung technologisch Hand in Hand gehen könnten.
"Terroristenjagd" mit Kundendaten