Handy-TV nimmt Gestalt an

28.09.2006

In Österreich laufen bereits erste Pilotprojekte für Handy-TV über den internationalen Standard DVB-H. Einen Starttermin für kommerzielle Angebote gibt es noch nicht - im Moment diskutiert die Branche noch über die richtigen Geschäftsmodelle und den passenden Content.

Mit dem Umstieg auf terrestrisches Digital-TV [DVB-T] wird in Österreich Ende Oktober auch das Thema Handy-TV konkreter. Dabei setzt man hier zu Lande auf den internationalen Standard DVB-H [für Handheld-Geräte], der mit DVB-T [T wie "terrestrisch"] kompatibel ist.

Erste Feldtests

Die heimischen Netzbetreiber mobilkom austria und Hutchison ["3"] testen derzeit gezielt entsprechende Anwendungen und arbeiten bereits am "Roll-out" konkreter Angebote und Anwendungen. Beide Anbieter betonen dabei aber, dass die Verfügbarkeit der nötigen Hardware oberste Priorität hat.

Schließlich wollen bereits erprobte Niederlagen wie bei der Einführung von UMTS, das auf Grund fehlender Geräteverfügbarkeit und Inhalte nicht den erwünschten Erfolg brachte, vermieden werden.

Noch kein fixer Starttermin

Auf einen Starttermin für DVB-H-Angebote wollen sich die Betreiber nicht festlegen. Dass die Nachfrage von Kundenseite da ist, darüber war sich die Medienbranche am Mittwoch bei den Österreichischen Medientagen in der Wiener Messe einig.

Vertreter von TV-Sendern, Mobilfunkern und Hardware-Produzenten diskutierten dort zum Thema "Broadcasting - anywhere, anytime" und fokussierten dabei auf Chancen und Hindernisse für DVB-H.

Der augenblickliche Stand von Video-, besonders aber TV-Übertragungen über drahtlose, digitale Telefon-­ und Datennetze [UMTS] ähnelt der Situation Ende der 90er Jahre im Internet.

Junge Zielgruppe will Zeitunabhängigkeit

Als schlagendes Argument für das Fernsehen auf dem Handy wurde die Zeitunabhängigkeit für den Nutzer genannt. Anthony Park von Samsung Europa etwa berichtete von der Nutzung in Südkorea, wo Handy-TV bereits seit 2005 verfügbar ist. "Die Nutzer schätzen, dass sie nicht mehr an Fernsehzeiten gebunden sind", erklärte Park.

Auch der Technische Direktor des Bayerischen Rundfunks, Herbert Tillmann, sprach aus Erfahrung: Der Bayerische Rundfunk ist seit Mai 2006 als erster öffentlich-rechtlicher Sender on air, testet aber parallel zu DVB-H auch den DMB-Standard. Die Zielgruppe definierte er klar: "Wir haben Reichweitenverluste und sind entschlossen, etwas für das jüngere Publikum zu tun. Die Jungen wollen eben das Internet und mobile Inhalte."

Unterhaltung und kurze Clips

Auch der Mobilfunker 3 hat in Italien schon erste Erfahrungen gesammelt und seit der Fußball-WM ein kommerzielles Angebot in Betrieb. Die Nutzer können dabei 13 Broadcasting-Kanäle und usergenerierten Content empfangen. Am beliebtesten seien dabei eindeutig Unterhaltungsprogramme.

Die passenden Inhalte sind für den Erfolg von DVB-H essenziell. "Mobile TV wird sich nur rechnen, wenn man es von Anfang an als eigenes Medium begreift. Alles, was über drei Minuten dauert, interessiert den Nutzer nicht", so die Prognose von Medienconsulter Hans Mahr.

Neuen Content braucht das Land

Darüber herrschte auch bei den Mobilfunkbetreibern Einigkeit, selbst Content zu produzieren kommt aber für die meisten nicht in Frage. T-Mobile-Marketingchef Georg Mündl: "Wir sehen uns selber nicht als Programmgestalter und sind auch keine Fernsehanstalt. Aber wir sind auf der Suche nach Partnern, die das können."

Mahr sieht in dieser Entwicklung eine Chance für alle, die schon immer TV machen wollten. Neben den traditionellen Broadcastern werde es seiner Meinung nach eine Menge junger Anbieter geben, die Content produzieren.

Die Handyhersteller Motorola und Nokia wollen gemeinsam den DVB-H-Standard weiterentwickeln, damit er sich global durchsetzt.

Österreich als Vorreiter?

Wenn entsprechende Geschäftsmodelle entwickelt würden, könnte Österreich mit Handy-TV durchaus eine Vorreiterrolle einnehmen, so der Grundtenor. Entsprechende Angebote sind bis dato erst in Südkorea, Japan, Italien und Deutschland verfügbar.

Über die Errichtung und den Betrieb der nötigen Infrastruktur sind sich die einzelnen Player jedoch mehr als uneinig. Zwar hätten die Mobilfunker nutzbare Stationen für die nötigen Antennen, scheuen sich aber davor wieder in eine Infrastruktur zu investieren, deren Rentabilität nicht gesichert ist.

Hutchison-Austria-Chef Berthold Thoma argumentierte jedoch, dass die Mobilfunker bereits die Verbreitung durch Handy-Subventionierung finanzieren.

Bis also das passende Modell gefunden ist, gibt es zwischen TV-Stationen, Mobilfunkern und der ORF-Sendetechniktochter ORS, die von der Medienbehörde KommAustria den Zuschlag zur Errichtung und zum Betrieb der bundesweiten terrestrischen Multiplex-Plattform erhalten hat, noch jede Menge Diskussionsbedarf.