Technik im Auto "muss dümmer werden"

bordcomputer
29.09.2006

Verkehrsexperten sehen den Boom von immer mehr Technik im Auto kritisch: Die Systeme müssten sich "dümmer verhalten", damit die Fahrer sich nicht zu sehr darauf verlassen.

Immer mehr Technik hält Einzug in Auto-Cockpits - eine Entwicklung, die Verkehrsexperten alarmiert. Die Fahrer würden dadurch überfordert und zu sehr abgelenkt, so Berthold Färber bei einem ADAC-Juristenkongress in Lübeck.

Einige Multifunktionselemente zur Steuerung von Klimaanlage, Sitzhöhe, Telefon, Radio und Navigationsgerät hätten 700 Funktionen, aber nur einen Knopf und ein Display.

Ablenkung zu groß

"Da muss der Fahrer viel zu lange an dem Gerät herumdrehen", sagte der Professor von der Bundeswehr-Universität München. Die Forschung richte sich daher auf Modelle, die nicht mehr per Knopfdruck, sondern über Sprache und Gesten funktionieren.

Warnung vor zu viel Vertrauen

Der Experte warnte außerdem vor zu viel Vertrauen in die Technik, etwa bei "Fahrer-Assistenzsystemen", die nach dem Prinzip von Autopiloten funktionieren und selbstständig die Geschwindigkeit oder den Abstand zu anderen Fahrzeugen halten können.

Die typische Autofahrerfrage sei dann: "Was macht er denn jetzt wieder? Der Fahrer gibt subjektiv die Verantwortung ab und kann im Notfall nicht mehr schnell genug reagieren", schilderte Färber.

Lag der finanzielle Wert der Elektronik in einem Auto 1995 noch bei durchschnittlich 1.338 Euro, waren es 2005 bereits 2.561 Euro. Für 2015 wird ein Anstieg auf 3.756 Euro erwartet.

Systeme sollen "dümmer " werden

Der Experte forderte daher, die Systeme müssten sich "dümmer verhalten", als sie tatsächlich seien. "Sie müssen die Verantwortung früher an den Nutzer zurückgeben", betonte der Experte.

Systeme wie das Elektronische Stabilitätsprogramm [ESP], die das Steuer übernehmen, wenn ein Auto etwa ins Schleudern gerät, seien davon ausgenommen. "Es gibt niemanden, der so gut ist wie ESP. Dem kann man sich blind anvertrauen", sagte Färber. Das System reduziert seinen Angaben zufolge Einzelunfälle um 30 Prozent.

Navigation schickte Fahrer baden

Für Aufmerksamkeit hatte dagegen ein Vorfall in Brandenburg gesorgt, der durch den "Fehler" eines Navigationsgerätes verursacht worden war. Das Gerät hatte statt einer Fähre eine Brücke angezeigt.

Ein Autofahrer stürzte mit seinem Wagen daraufhin in einen Fluss. "Der Glaube an die Perfektion der Technik ist das Problem", erläuterte Färber. Wie viele Unfälle durch High-Tech-Fülle im Auto verursacht werden, sei bisher nicht erfasst. Die Zahl der entsprechend ausgestatteten Fahrzeuge sei aber noch gering.

Joystick statt Lenkrades

Am Donnerstag wurde bereits zum zweiten Mal der Prix ATTC des Austrian Traffic Telematic Cluster vergeben: Einen Sonderpreis gewann dabei ein Team von HTL-Schülern aus Klagenfurt, die ein "Demoboard" für "Drive by Wire" auf der Basis einer neuen Technologie entwickelt hatten. Dabei unsersuchten Sie die Möglichkeit der Lenkung von Autos über Joysticks statt eines Lenkrades.

(futurezone | dpa)