Kampagne gegen EU-Überwachungsplan
Die am vergangenen Montag gestartete Kampagne gegen die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland ist auf den ersten Blick mäßig erfolgreich. Immerhin registriert die Politik den Protest und auch Kirchen, Betriebs- und Personalräte werden hellhörig.
"Innerhalb von fünf Tagen sind 676 offene Briefe geschrieben worden. 571 davon haben die Nutzer freigeschaltet und an die Abgeordneten versandt", berichtet Patrick Breyer vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung.
Direkte Kommunikation mit Abgeordneten
Über ein Web-Interface auf der Kampagnen-Site Stoppt-die-vorratsdatenspeicherung.de können Nutzer ihre Meinung zur von der EU geplanten sechsmonatigen Speicherung sämtlicher Telefon- und Internet-Verbindungsdaten kundtun und per Knopfdruck an alle 448 Abgeordneten des Deutschen Bundestages versenden.
Während sich unter den Briefen einige Dubletten und bloße Kopien des von den Organisatoren bereitgestellten Bedenkenkatalogs befinden und auch die eine oder andere Verschwörungstheorie zu lesen ist, erweisen sich überraschend viele Briefe als durchdachte Äußerungen besorgter Bürger.
Expertenthema Bürgerrecht
Bisher regte sich nur in kleinen Gruppen von Bürgerrechtlern und Kommunikationsprofis Widerstand gegen die im Februar 2006 vom EU-Ministerrat beschlossene Vorratsspeicherung von Verbindungsdaten.
In Österreich sprechen sich unter anderem die Arge Daten und Quintessenz.at gegen die Richtlinie aus, die den Strafverfolgungsbehörden vollen Zugriff auf die Kommunikationsmuster jedes Bürgers geben würde. Bisher klagte nur die Republik Irland in dieser Sache gegen EU-Parlament und -Kommission. Sie bezweifelt die Zuständigkeit der EU.
"Das Thema wird jetzt auch in Kreise hineingetragen, die sich bisher nicht damit auseinander setzen", sagt Bettina Winsemann, die den Protest mit organisierte. "Kirchen, Betriebs- und Personalräte werden zurzeit hellhörig, sodass ich denke, dass das Thema wirklich auch außerhalb der 'üblichen Verdächtigen' Aufmerksamkeit findet."
Deutschland arbeitet an der Umsetzung
"Die Kampagne ist im Bundesjustizministerium bekannt", sagt Christiane Wirtz vom BMJ in Berlin. "Derzeit wird im BMJ ein Referentenentwurf erarbeitet, der auch Regelungen zur erforderlichen Umsetzung der 'Vorratsdatenspeicherungs-Richtlinie' vorsehen wird. Der Entwurf wird noch im Herbst in die Ressortabstimmung gehen und anschließend an Länder und Verbände versandt."
Ob die gespeicherten Datensätze dann nur zur Terrorismusbekämpfung eingesetzt werden, ist abzuwarten. "Der vorgenannte Referentenentwurf wird jedenfalls vorsehen, dass die Strafverfolgungsbehörden zur Aufklärung bestimmter Straftaten auf die nach Maßgabe der Richtlinie gespeicherten Verkehrsdaten zugreifen dürfen. Einzelheiten werden dem Entwurf zu entnehmen sein", sagt Wirtz.
In Österreich ab 2007
"Sind diese Datensammlungen einmal angelegt, wecken sie sehr bald neue Begehrlichkeiten - legale wie illegale", sagt Adrian Dabrowski von Quintessenz.at. "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es bei uns zu ähnlichen Missbrauchsfällen kommen wird wie in Griechenland oder kürzlich in Italien."
In Österreich hat man es mit der Umsetzung der EU-Richtlinie allerdings nicht ganz so eilig wie in Deutschland. "Österreich hat gemeinsam mit 15 anderen Staaten bei der EU die längstmögliche Umsetzungsfrist angemeldet", sagt Dabrowski. "Die Telefondatenspeicherung muss bis 19. September 2007 umgesetzt werden, die Internet-Datenprotokollierung bis 15. März 2009."
Deutsche Gegner demonstrieren
Dem politischen und publizistischen Mainstream die abstrakte Problematik der Vorratsdatenspeicherung nahe zu bringen, bleibt eine schwierige Aufgabe. Als nächstes plant der Arbeitskreis in Deutschland eine Demonstration am 20. Oktober in Bielefeld, nach der auch die deutschen Big-Brother-Awards verliehen werden.