Bwin "an Kippe zur Existenzgefährdung"
Für den heimischen Online-Wettanbieter bwin nehmen die schlechten Nachrichten kein Ende. Nach Deutschland und Frankreich sind nun auch die US-Geschäfte durch ein neues Gesetz in Gefahr. Die Aktie brach am Montag um über 34 Prozent ein, Analysten sprechen von einer "brenzligen Situation".
Die bwin-Aktie erlitt am Montag erneut einen kräftigen Rückschlag. Knapp nach Handelseröffnung sackte der Kurs um 21,6 Prozent auf 16,31 Euro ab. Bei Börsenschluss notierte die Aktie bei 13,58 Euro, ein Minus von über 34 Prozent gegenüber Freitag.
Auch Konkurrenz verliert kräftig
Auch andere Anbieter von Online-Sportwetten und -Glücksspielen erlitten drastische Verluste: Sportingbet verlor über 68 Prozent auf 58 Pence, PartyGaming sackte um 58 Prozent auf 45 Pence ab.
Die im Vergleich zu anderen Anbietern deutlich geringeren Verluste der bwin-Aktie führen heimische Analysten auf die bereits massiven Verluste der letzten Wochen zurück. Dennoch bewerten sie die Zukunft von bwin alles andere als rosig.
Am Samstag hatten der Senat und das Repräsentantenhaus in Washington ein Gesetz verabschiedet, das die meisten Formen von Glücksspiel im Internet verbieten würde. Das Gesetz wird voraussichtlich im Lauf der kommenden zwei Wochen von Präsident George W. Bush unterzeichnet werden.
"An der Kippe zur Existenzgefährdung"
"So wie es aussieht, ist die Situation brenzlig für bwin. Man kann sagen, sie stehen an der Kippe zur Existenzgefährdung. Sie haben hohe Goodwill-Abschreibungen in ihrer Bilanz stehen wegen der Ongame-Akquisition, die könnten ihnen jetzt das Genick brechen", meint Leopold Salcher von der Raiffeisen Centrobank AG [RCB].
Auch Alfred Reisenberger, Chefanalyst bei der CA IB, beurteilt die Situation als "sehr schlecht für bwin". "Sie verlieren rund ein Drittel ihres Geschäftes durch den Wegfall der US-Aktivitäten. Ich bin kein Jurist, aber es sieht so aus, als ob es unmöglich ist, das US-Geschäft weiter zu betreiben. PartyGaming hat in einer Presseaussendung bereits darauf hingewiesen, dass es unmöglich für sie ist, in den USA weiter Geld zu verdienen", sagte Reisenberger.
"Hälfte des Umsatzes weg"
"Es ist noch nicht das Ende von bwin, es ist einfach für das Wachstum, den Goodwill und den künftigen Umsatz schlecht", meint Erste-Bank-Aktienexpertin Maria Veronika Sutedja. Bwin habe im ersten Halbjahr 22 Prozent seiner Bruttoroherträge mit der kürzlich erworbenen Tochter Ongame in den USA erwirtschaftet, Ongame selbst mache 79 Prozent seiner Umsätze in den USA.
Dieser gesamte Umsatz könnte ab dem vierten Quartal wegfallen, sollte das Gesetz in Kraft treten, so Sutedja. Sollte etwas Ähnliches auch noch in Deutschland passieren, wäre das wirklich schlimm, dann wäre die Hälfte des Umsatzes weg.
Die Entscheidung des US-Kongress sei sehr überraschend gekommen. Es sei aber klar gewesen, dass noch vor der Kongresswahl Anfang November eine Entscheidung fallen müsse, so Salcher.
"Mut haben, um jetzt zu kaufen"
Reisenberger rechnet mit einer Gewinnwarnung von bwin, die Neunmonatszahlen "werden sehr schlecht aussehen". Die CA IB empfiehlt, die bwin-Aktie derzeit zu "halten". Das Kursziel von 19 Euro bleibe aufrecht. Salcher hat die Empfehlungen wegen der hohen rechtlichen Unsicherheiten ausgesetzt.
"Die erzielen einen beachtlichen Teil ihres Umsatzes mit US-Spielern, und das wird ihre Prognosen beeinträchtigen", sagte ein Händler über die Online-Anbieter. "Niemand weiß, wie hart es diese Firmen treffen wird, aber man muss schon Mut haben, um jetzt diese Aktien zu kaufen."
Derzeit kämpft bwin auch in Deutschland und Frankreich mit Gegenwind. In beiden Ländern wird bwin vorgeworfen, gegen das jeweilige staatliche Wettmonopol zu verstoßen.
Bwin: "Auswirkungen unklar"
Derzeit sei es noch sehr schwer, die Auswirkungen des neuen geplanten US-Gesetzes auf das Internet-Wettspielgeschäft von bwin festzustellen, so bwin-Pressesprecherin Karin Klein. "Die Lage ist noch recht unübersichtlich, unsere Anwälte sind seit dem Wochenende bemüht, hier Klarheit hineinzubringen."
Der britische Spieleanbieter 888 Holdings schrieb in einer Pressemitteilung: "Die Auswirkungen des Gesetzes sind noch nicht abzusehen. Aber die Art, wie das Gesetz verabschiedet wurde, zeigt deutlich, dass der Kongress sowohl Glücksspiel als auch Sportwetten im Internet als illegal betrachtet."
Allgemeiner Rückzug vom US-Markt?
Sowohl 888 Holdings als auch die Konkurrenten PartyGaming und Sportingbet haben bereits einen Rückzug vom US-Markt in Aussicht gestellt. Alleine PartyGaming macht mit Websites wie PartyPoker.com 78 Prozent seiner Umsätze in den USA.
Der Senat hatte die Anti-Gambling-Vorlage im Bündel mit einem Gesetz zum Schutz US-amerikanischer Hafenanlagen zur Abstimmung gebracht.
(APA | AP | Reuters)