Anti-Viren-Branche vs. Microsoft
Microsofts Einstieg in den Markt für Antiviren-Software wird nicht nur von der EU kritisch beäugt, vor allem die Konkurrenz wetzt die Messer: In einer ganzseitigen Anzeige beschwert sich McAfee, dass Microsoft der Konkurrenz den Zugang zum Windows-Herzstück verwehre und somit erst recht die Sicherheit gefährde.
McAfee schaltete am Montag eine ganzseitige Anzeige in der Wirtschaftszeitung "Financial Times", in der der Anbieter Microsoft vorwirft, Herstellern von Sicherheits-Software den Zugang zum Kernel seines kommenden Betriebssystems Windows Vista zu verwehren.
Damit werde es deutlich schwieriger, die Software auch von anderer Seite aus zu schützen, so der Vorwurf.
Hersteller fürchten um ihre Geschäfte
"Microsoft ist total unrealistisch, wenn es glaubt, dass durch das Aussperren von Sicherheitsfirmen aus dem Vista-Kernel Hacker diesen nicht knacken können. Tatsächlich haben sie es schon getan", lautet die Anzeige von McAfee.
Mit der Anzeige stößt McAfee in das gleiche Horn, in das vorher schon Marktführer Symantec geblasen hat. Sie und andere Anbieter von Anti-Viren- bzw. -Sicherheitssoftware wollen Microsoft das lukrative Geschäft mit der PC-Sicherheit nicht kampflos überlassen.
Laut Microsoft soll Vista das sicherste Betriebssystem des Anbieters werden. Um das zu unterstreichen, lud man Hacker eigens dazu ein, Vista zu prüfen. Prompt wurde die erste Sicherheitslücke entdeckt.
Verzerrung des Wettbewerbs
Allerdings ähneln die Vorwürfe auch frappierend jenen von anderen Software-Anbietern wie RealNetworks, die seit Jahren gegen die Integration von Microsoft-Produkten wie dem Windows Media Player und dem Internet Explorer in das Betriebssystem Windows ankämpfen.
Sie sehen darin eine Verzerrung des Wettbewerbs, denn die Nutzer würden von vornherein auf die bereits installierten Programme zugreifen und Microsoft somit seine Monopolstellung auf dem Software-Markt weiter ausbauen. Dieser Auffassung schloss sich zuletzt auch die EU an.
"Naiv, wenn Microsoft Stellung nicht ausnützt"
Joe Pichlmayr vom heimischen Anbieter für Anti-Viren-Software ikarus sieht die Situation gelassen: "Man wäre ja naiv, wenn man davon ausgeht, dass Microsoft seine Stellung nicht ausnützt."
Natürlich werde Microsoft mit seinen eigenen Sicherheitsprodukten einen gewissen Marktanteil erreichen, sobald der Virenscanner aber eine kritische Masse an Nutzern habe, werde auch er zum Ziel von Angriffen, ist sich Pichlmayr sicher.
"Vernünftiger Client hat immer einen Markt"
Dann werde sich die Spreu vom Weizen trennen und die Nutzer wieder auf etablierte Anbieter umsteigen: "Ein vernünftiger Anti-Viren-Client wird immer einen Markt haben", so Pichlmayr.
Wirklich Angst scheint in der Branche keiner zu haben: "Man sieht ja schon, dass die monatlichen Patch-Tage nicht funktionieren, alleine daran, dass Microsoft zunehmend auch dazwischen Patches rausgibt", meint Pichlmayr.
Ikarus ist allerdings auch weniger gefährdet als die Hersteller von Anti-Viren-Clients wie Symantec [Norton] und McAfee. Der heimische Anbieter hat sich auf große Sicherheitslösungen spezialisiert und scannt unter anderem die Mailboxen der Telekom Austria auf Viren und andere Schädlinge.
Microsoft bleibt gelassen
Microsoft selbst sieht sich frei von Schuld: Man biete sehr wohl Zugang zum Vista-Kernel, aber eben in geordneten Bahnen und über definierte Schnittstellen [APIs], so Thomas Lutz, Pressesprecher von Microsoft Österreich.
Partner stünden im Zentrum des Microsoft-Geschäftsmodelles und der Anbieter habe entlang den bisherigen Entwicklungsprozessen von Windows Vista eng mit seinen Security-Partnern zusammengearbeitet und werde das auch weiterhin tun, so Lutz.
Letztlich sei es das Ziel, den Kunden eine innovative und sichere Version von Windows Vista zu liefern, die im Einklang mit den Gesetzen der Europäischen Union stehe. Dazu sei Microsoft auch in einem aufrechten Dialog mit der Europäischen Kommission.
Die McAfee-Annonce
"Microsoft scheint sich eine Welt vorzustellen, in der eine große Firma nicht nur das Betriebssystem der meisten Computer kontrolliert, sondern auch die Sicherheit, die diese vor Viren und anderen Gefahren schützt. Wenn dieser Ansatz schief geht, dann geht er auf 97 Prozent aller weltweiten PCs schief", so McAfees Anzeige.
Die PC-Nutzer auf der ganzen Welt würden erkennen, dass die größten Bedrohungen der PC-Sicherheit existieren, weil das zu Grunde liegende Betriebssystem von Microsoft schwach sei.
Angesagter Widerstand der EU
Microsofts Pläne, mit Windows Vista zunehmend Lösungen aus einer Hand anzubieten [Internet-Suche, Virenschutz und andere Programme aus dem Hause Microsoft], haben zuletzt auch die EU auf den Plan gerufen.
Die EU-Wettbewerbshüter haben Microsoft bereits davor gewarnt, die Konkurrenz bei Sicherheits-Software auszusperren.
Symantec hat seinerseits deutlich gemacht, dass eine formale Klage bei der EU jederzeit möglich sei. Die EU hat ihrerseits bei den Anbietern von Sicherheits-Software nachgefragt und will bei Kartellrechtsverstößen auch einschreiten.
(futurezone | Nadja Igler)