15.01.2003

WAR GAMES

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Mit dem Internet Explorer Krieg führen

Der Krieg als Videospiel wird dieser Tage immer realer: Ferngesteuerte Drohnen können mit Luft-Boden-Raketen Ziele in Echtzeit bekämpfen, während der Soldat oder die Soldatin, die dabei letztlich den Abzug betätigen, am anderen Ende der Welt sitzen.

Mit einem neuen System von Lookheed Martin ist sogar denkbar, dass das mit einem herkömmlichen Laptop mit drahtloser Internet-Anbindung vom Cafe aus geschieht - auch wenn die US-Armee dieses Szenario bestimmt nicht zulassen wird.

Die Militärs bezeichnen diese Art, Krieg zu führen, als "Network Centric Warfare" [NCW], wobei der "klassische" Bereich des C4 [Command, Control, Communication and Computer System] in den Mittelpunkt rückt.

Systemchaos

Während der NCW allerdings in der Theorie und in den Prospekten der Rüstungsindustrie schon relativ ausgereift dargestellt wird, gibt es in der Praxis jede Menge ganz reale Probleme. Experten rechnen mit weiteren, die noch nicht einmal erkannt sind, weil der "vernetzte" Krieg noch nie konsequent umgesetzt wurde.

Das banalste Problem ist zunächst die Inkompatibilität der bestehenden Systeme: Das gemeinsame Oberkommando der US-Luftwaffe, der -Marine und der -Armee muss derzeit mit nicht weniger als 400 verschiedenen Systemen arbeiten, von denen die meisten nicht miteinander kompatibel sind.

Mit dem Browser in den Krieg

Einen Ausweg aus diesem Formatchaos könnte ausgerechnet das Internet-Protrokoll bieten, womit sich ein Entwicklungskreis schließen würde, denn die US-Militärs waren maßgeblich an den Anfängen des Netzes beteiligt.

So basiert die Kommunikation des neuen Kommunikations- und Kommandosystems von Lockheed Martin für die Air Force auf TCP-IP, wobei die Daten, die über das Internet verschickt werden, mit einem militäreigenen Verfahren verschlüsselt werden.

Krieg mit Bandbreitenproblem

Neben dem Formatchaos ist das derzeit offensichtlichste Problem eines, das die US-Krieger mit zahllosen Surfern teilen: mangelnde Bandbreite.

Schon während des Afghanistan-Feldzuges mussten sich einzelne Einheiten auf dem Feld um die knappen Kapazitäten streiten, beispielsweise um Satelliten-Uplinks und den Video-Stream von den Überwachungs-Drohnen.

Wie knapp die Verbindungsressourcen der US-Militärs angesichts der selbst entfachten Kommunikationsflut sind, wurde im letzten Sommer klar, als bekannt wurde, dass NATO-Bilder von Aufklärungsflügen über dem Balkan unverschlüsselt über Satellit gefunkt wurden.

500 Mio. für den Breitband-Krieg

Spätestens 2004 wollen die US-Militärs ihre Bandbreitenprobleme zumindestens auf der Backbone-Seite gründlich lösen: Die "Global Information Grid Bandwidth Expansion" [GIG-BE] soll für 500 Millionen USD weltweit 90 Stützpunkte mit optischen Leitungen verbinden.

Aber auch GIG-BE wird ein weiteres Problem, das auch den normalen Surfer betrifft, für die US-Militärs nicht lösen: das der letzten Meile.

Und in diesem Fall ist diese letzte Strecke zwischen einem Netzknotenpunkt und dem Einzelnutzer auch noch wesentlich schwieriger einzurichten als im Falle eines Internet-Anschlusses für die eigene Wohnung, da sich der User ständig in Bewegung befindet und das im Zweifelsfall unter den widrigen Bedingungen auf dem Schlachtfeld.

Ein Lösungsmodell soll auch hier aus dem Internet kommen, und zwar von den Musik- und Filmtauschbörsen. Nach der Vision einiger Militärentwickler soll demnach zukünftig jede Einheit auch als Knotenpunkt eines Netzes dienen, dessen Elemente sich in ständiger Bewegung befinden.

Das Pentagon hatte dafür sogar schon seine Fühler in Richtung Napster ausgestreckt: "Ihr Burschen könnt uns helfen", fasste Lt. Col. Robert Wardell, persönlicher Assistent des US-Generalstabsvorsitzenden Richard B. Myers, das Interesse der US-Militärs in typischer Diktion zusammen.