Passagierdaten: Voller Zugriff für USA

06.10.2006

Im Streit über die Übermittlung von Fluggastdaten haben die EU und die USA in der Nacht auf Freitag eine Einigung erzielt. Die EU-Fluglinien liefern die Informationen in Zukunft direkt beim US-Ministerium für Heimatschutz ab.

EU-Kommissar Franco Frattini sagte, die Europäer hätten grundsätzlich anerkannt, dass die USA nach dem vom Kongress gebilligten neuen Anti-Terror-Gesetz Daten für die Terrorismusbekämpfung an zuständige Fahndungsbehörden künftig leichter weitergeben wollten.

"So haben wir akzeptiert, die Daten an die Abteilung des US-Heimatschutzministeriums zu geben", erläuterte Frattini. "Und diese Abteilung wird die Offenlegung gegenüber anderen Stellen vereinfachen, die mit der Bekämpfung des Terrorismus beschäftigt sind."

Das werde aber unter zwei Bedingungen erfolgen, betonte der Kommissar. Es würden nicht mehr Daten ausgetauscht und die in Frage kommenden US-Anti-Terror-Behörden hätte weiterhin keinen direkten Zugang zu den Daten. Damit sei ein "vergleichbarer Datenschutz" wie bisher gewährleistet, versicherte Frattini.

"Push" statt "Pull"

Auch die finnische Ratspräsidentin und Justizministerin Leena Luhtanen sprach von einem "angemessenen Niveau von Datenschutz" in dem neuen Abkommen. Außerdem hätten die Amerikaner akzeptiert, bei der Datenübermittlung von einem "Pull-System" auf ein "Push-System" überzugehen. Demnach sollen künftig die europäischen Airlines direkt ihre Passagierdaten an das US-Heimatschutzministerium liefern, anstatt diesem zu gestatten, sie von ihren Reservierungssystemen abzurufen. Damit ist eine zentrale Forderung der EU-Unterhändler erfüllt.

An der Zahl von maximal 34 Datenfeldern, die die Europäer übermitteln müssen, ändere sich nichts, betonte der zuständige Verhandler der EU-Kommission und Generaldirektor Jonathan Faull. Neben dem Namen des Passagiers fallen auch dessen Wohn- und E-Mail-Adresse, Telefon- und Kreditkartennummer darunter.

Die AUA hatte mehrmals erklärt, den US-Behörden nur zehn Datenfelder zur Verfügung zu stellen. Zugriff auf die Daten habe neben anderen Fahndungsbehörden die US-Bundespolizeibehörde FBI, sagte Faull.

Selbstverpflichtungen zum Datenschutz

Weiterhin gelten würden die Selbstverpflichtungen zum Datenschutz, welche die Amerikaner den Europäern 2004 gegeben hatten, erläuterte der EU-Chefverhandler. Im neuen Zwischenabkommen sind die Sicherheitsgarantien für die Europäer nicht ausdrücklich definiert.

Laut Faull sind diese Sicherheitsgarantien nur in Briefen der beiden Verhandler festgeschrieben, das Abkommen enthält demnach auch einen Hinweis auf die US-Selbstverpflichtungen von 2004.

Diese persönlichen Daten übermitteln EU-Fluglinien an den US-Heimatschutz:

PNR-Buchungscode [Record Locator]

Datum der Reservierung

Geplante Abflugdaten

Name

Andere Namen im PNR

Anschrift

Zahlungsart

Rechnungsanschrift

Telefonnummern

Gesamter Reiseverlauf für den jeweiligen PNR

Vielflieger-Eintrag [beschränkt auf abgeflogene Meilen und Anschrift[en]]

Reisebüro

Bearbeiter

Codeshare-Information im PNR

Reisestatus des Passagiers

Informationen über die Teilung einer Buchung

E-Mail-Adresse

Informationen über Flugscheinausstellung [Ticketing]

Allgemeine Bemerkungen

Flugscheinnummer

Sitzplatznummer

Datum der Flugscheinausstellung

Historie über nicht angetretene Flüge [no show]

Nummern der Gepäckanhänger

Fluggäste mit Flugschein, aber ohne Reservierung [Go show]

Spezielle Service-Anforderungen [OSI, Special Service Requests]

Spezielle Service-Anforderungen [SSI/SSR, Special Service Requests]

Information über den Auftraggeber [received from]

Alle Änderungen der PNR [PNR-History]

Zahl der Reisenden im PNR

Sitzplatzstatus

Flugschein für einfache Strecken [one-way]

Etwaige APIS-Informationen [Advanced Passenger Information System; System der vorab erfassten Passagierdaten]

ATFQ-Felder [automatische Tarifabfrage]

34 Datenfelder "Maximalforderung"

AUA-Sprecherin Livia Dandrea bestätigte gegenüber ORF.at, dass ihr Luftfahrtunternehmen seit Juni 2005 nur 10 der 34 Datenfelder ihrer Passagiere an die US-Behörden überträgt. Dies sei auf eine besondere Vereinbarung zwischen AUA und US-Behördenvertretern zurückzuführen.

Ratifizierung nächste Woche

Endgültig beschlossen soll das neue EU-US-Zwischenabkommen nächste Woche von den EU-Botschaftern und anschließend im EU-Ministerrat werden. Ohne die Einigung hätte die Gefahr bestanden, dass alle 25 EU-Staaten eigene Abkommen mit den USA zum Datenaustausch unterhalten hätten, sagte Frattini.

Das 2004 vereinbarte Abkommen war vom Europäischen Gerichtshof wegen mangelnder Rechtsgrundlage gekippt worden. Die Verhandlungen für ein umfassenderes Nachfolgeabkommen sollen bereits beim nächsten USA-EU-Treffen im November unter finnischer EU-Ratspräsidentschaft beginnen und bis Juli 2007 abgeschlossen sein, sagte Faull.

EU: Eigenes Passagierdatensystem

Die EU-Kommission selbst arbeitet nach Worten von Faull an einem Legislativvorschlag für ein europäisches Passagierdatensystem. Wegen der erforderlichen Einstimmigkeit der EU-Staaten in dieser Frage könne es bis zu einem Beschluss aber lange dauern, sagte er.

Washington hatte EU-Fluglinien, die ihre Daten nicht übermitteln, mit einer Strafe von 6.000 US-Dollar pro Passagier und Landeverbot gedroht.

Die Speicherfrist für die Passagierdaten beträgt vorläufig 3,5 Jahre.

(APA | dpa | Reuters | AP)