Afrikas Angriff auf die Linuxwelt
Der aggressivste Player auf dem weltweiten Linuxmarkt ist ein Kleinunternehmen aus Südafrika, das die von den Downloads gesehen populärste Linux-Distribution "Ubuntu" vertreibt. Nun werden die milliardenschweren US-Unternehmen Novell und RedHat im Linux-Geschäftskundenbereich mit Nulltarifen angegriffen.
Hätte man rund um den ersten Linux-Hype im Jahr 2000 die Prophezeiung gewagt, den Linux-Börsenhoffnungen von RedHat über Suse bis Caldera würde eine Gratis-Distribution einer Kleinfirma aus Afrika zusetzen, man wäre wohl für verrückt erklärt worden.
Und dennoch ist es so: Die Linux-Paketkombination des südafrikanischen Unternehmens Canonical namens Ubuntu setzte sich vor mehr als einem Jahr an der Spitze fest und führt auch nach der ersten Oktober-Woche 2006 die Download-Hitlisten aller freien Distributionen an.
Auf den Plätzen
Die freien Distributionen der börsennotierten US-Firmen Novell [Suse] und RedHat [Fedora] liegen knapp hinter der vergleichsweise kleinen Firma Mandriva auf Platz drei und vier.
Die als besonders stabil geltende Distribution Debian, von der Ubuntu nur ein Ableger ist, liegt auf Platz fünf der Popularitätsliste.
Wie Ubuntu ungefähr funktioniert
Der Hauptgrund, warum sich Ubuntu gegen die milliardenschwere Konkurrenz an der Spitze hält, ist, dass damit auch Tante Jutta ein Linux-Betriebssystem ohne Probleme aufsetzen kann.
Für die Basis des Systems bedient man sich, ohne das unbedingt wissen zu müssen, bei den Programmpaketen von Debian und kombiniert sie mit Ubuntu-Paketen. Wenn es notwendig ist: Denn die Debian-Programmierer setzen zuerst auf Stabilität, dann auf Aktualität.
Wie Windows, weniger Fragen
Für die Installation genügt eine CD in Kombination mit Breitband-Internet. Das Ganze passiert fast unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des Benutzers, der dabei kaum etwas zu tun hat, als Sprache und Zeit in einer Dialogbox einzustellen. Es ist so einfach wie eine Windows-Installation, nur gibt es weniger Fragen.
Dazu kommen eine in der Standardversion etwas spartanisch anmutende Oberfläche und eine sehr übersichtliche Programmauswahl, die auch absolute Einsteiger kaum verwirren kann.
Vom Konsumenten ...
So viel zum Konsumentenaspekt, doch seit Juli/August 2006 greift das nur 65 Mitarbeiter umfassende Unternehmen Canonical die weit größeren Konkurrenten dort an, wo es diesen wehtut.
Ganz anders als die auf professionellen Serverbetrieb getrimmten Systempakete von Novell und RedHat ist Ubuntu auch für den Server gratis erhältlich - auf Wunsch auch per Briefpost, als CD.
... zum unternehmerischen Kanon
Denn das entspricht dem ziemlich radikal angelegten Geschäftsmodell des südafrikanischen Entrepreneurs Mark Shuttleworth, der die erst 2004 gegründete Firma Canonical [= kanonisch, vorschriftsmäßig bzw. "wie es sich gehört"] führt.
Der Ansatz - Software völlig frei, aber massiv verteilen, verdienen am weltweiten Online-Support - soll Canonical binnen der nächsten 24 Monate in die Profitabilität führen.
"Adrette Erpel" sind angesichts ...
Ausreichend langen Atem sollte das junge Unternehmen, das für seine Distributionen recht exzentrische Produktnamen wählt, dafür haben. Bevor Shuttleworth Produkte wie die Ubuntu-Versionen "Hoary Hedgehog" [eisgrauer Igel] "Dapper Drake" [adretter Erpel] herausbrachte, hatte er seit Mitte der 90er Jahre ein Unternehmen namens Thawte hochgezogen.
... von 575 Millionen Dollar ...
Bereits vor Einführung der heute überall gebräuchlichen starken Verschlüsselung im B2B-Internet-Verkehr bot Thawte aus Südafrika die dafür nötigen Zertifikate und Signaturen zu ausgesprochen guten Preisen an.
Auf dem Höhepunkt des Dot.com-Booms im Jahre 1999 verkaufte Shuttleworth Thawte um 575 Millionen US-Dollar an den Weltmarktführer VeriSign. Danach begab er sich mittels einer Rakete der Russischen Föderation für acht Tage an Bord der Internationalen Raumstation [ISS].
... nicht ganz so "deppert"
Ganz so "deppert" wie sie möglicherweise klingen mögen, sind die Ubuntu-Versionsnamen allerdings nicht. Das etwas altertümliche Beiwort "hoary" wurde in der angelsächsischen Literatur gern dem Haudegen- oder Landsknechtstum beigesellt.
"Dapper Drake" kann in nautischem Englisch auch "elegantes Außenbordgeschütz" bedeuten. Die kommende Version soll "Edgy Eft" oder "kribbeliger Zahlungsverkehr" heißen.
Was den ganz oben erwähnten ehemaligen Linux-Distributor Caldera anbetrifft, so heißt diese Firma längst SCO-Linux. Mit Copyright- und Patentklagen gegen IBM und andere den freien Linux-Code betreffend hat sich das Unternehmen zum Lieblingsfeind der weltweiten Linux-Branche gemausert.
(Erich Moechel)