"Wer YouTube kauft, ist ein Trottel"
Startet nun eine Online-Video-Revolution, wie Google-Chef Eric Schmidt prophezeit, oder beginnt eine Klagewelle wegen Verletzungen des Urheberrrechts? Der milliardenschwere Kauf der Online-Videoplattform YouTube durch den Suchmaschinenkrösus Google löst kontroversielle Diskussionen aus.
Bei der Präsentation des Kaufs der Video-Sharing-Site YouTube durch Google zeigte sich Schmidt euphorisch.
"Wir stehen am Beginn einer Internet-Video-Revolution", schwärmte Schmidt und ließ keinen Zweifel daran, dass die Übernahme Teil einer breit angelegten Strategie des Unternehmens sei, in den wachsenden Markt für Online-Videos zu investieren.
Die Entwickler hätten dutzende Ideen, wie sich Suchanfragen, Videos und Werbung im Internet handhaben ließen, erklärte Schmidt. Er sehe darin "ein ganzes neues Ökosystem, und wir wollen ein Teil davon sein".
Nach tagelangen Spekulationen war es am Montag gewiss: Der Internet-Dienstleister Google kaufte für 1,65 Milliarden US-Dollar die Online-Videoplattform YouTube.
Jubel an der Börse
An der Börse löste der Deal ebenfalls Euphorie aus. Während sich Unternehmensübernahmen in den meisten Fällen wenigstens temporär negativ in den Börsenkursen niedergeschlagen hatten, legte die Google-Aktie zu.
Die Papiere gewannen in den vergangenen zwei Handelstagen, angefeuert von den YouTube-Kaufgerüchten, mehr als vier Milliarden Dollar an Wert. Im nachbörslichen Handel notierte die Google-Aktie zuletzt mit 432 US-Dollar.
Beobachter skeptisch
Einige Branchenbeobachter stehen dem Deal hingegen skeptisch gegenüber. Sie erwarten nämlich rechtliche Schwierigkeiten für Google.
YouTube gilt trotz der ebenfalls am Montag verkündeten Einigung mit den Musikkonzernen Universal, Sony BMG und Warner Music Group gemeinhin als tickende Zeitbombe für mögliche Urheberrechtsklagen.
Auf YouTube können angemeldete Nutzer eigene Videoclips veröffentlichen, die von anderen Mitgliedern der Community bewertet werden. Weil einige Nutzer auch nicht lizenzierte Mitschnitte von Fernsehsendern und Musikvideos in ihre Beiträge integrierten, sah sich YouTube zuletzt mit juristischen Problemen konfrontiert.
Bisher verfolgte das Unternehmen die Politik, nicht lizenzierte Materialien nach Beanstandungen durch die Rechteinhaber zu entfernen.
"Ich glaube, dass Google verrückt ist"
Der US-Unternehmer Mark Cuban, der selbst Ende der 90er Jahre mit dem Verkauf von Broadcast.com an Yahoo fünf Milliarden Dollar lukrierte, ließ vor wenigen Wochen bei einer Technologiekonferenz mit dem Satz "Wer YouTube kauft, ist ein Trottel" aufhorchen.
Seine Meinung hat sich das auch nach dem Kauf der Video-Sharing-Site durch den Suchmaschinenkrösus nicht geändert. "Ich glaube noch immer, dass Google verrückt ist", postete er nach Bekanntwerden des Deals in seinem Weblog.
Cuban erwartet nun eine Klagewelle von Rechteinhabern. Insbesonders der US-TV-Sender Fox, der ebenso wie das soziale Netzwerk MySpace zur News Corp. des Medienmoguls Rupert Murdoch gehört, könnte seine Muskeln spielen lassen, vermutet Cuban.
Google als Cash-Cow
Cubans Meinung wird von zahlreichen Beobachtern geteilt. Allein die Tatsache, dass von Google Geld zu holen sei, werde eine Reihe von Klagen nach sich ziehen, sagte der US-Rechtswissenschafter Jack Lerner gegenüber dem Branchenmagazin CNet.
Filtersystem für Inhalte
YouTube hatte bereits vor dem Verkauf an Google damit begonnen, ein Filtersystem für Inhalte zu entwickeln. Bis Jahresende soll eine Software installiert werden, die urheberrechtlich geschützte Inhalte identifiziert und die damit erzielten Werbeumsätze automatisch erhebt.
Verträge mit Musikkonzernen und TV-Stationen sehen die Teilung der über die Plattform erzielten Einnahmen vor.
Content-Verkauf
YouTube kündigte bereits Ende September außerdem an, künftig Nutzern der Seite auch die Möglichkeit zu geben, ihre Inhalte über YouTube zu verkaufen. Damit tut sich nicht nur eine neue Verkaufsplattform für professionelle Anbieter auf.
In Verbindung mit entsprechenden Micro-Payment-Systemen würden sich auch Amateuren Erwerbsmöglichkeiten über YouTube eröffnen.
Werbeumsätze
Google hat sich mit dem Zukauf aber nicht nur die Spitzenposition im Online-Videogeschäft gesichert, sondern auch eine weitere Plattform für sein Werbeprogramm AdSense erschlossen.
Allein durch die Integration von Google-Suchboxen auf YouTube, schätzt Jason Calcanis, Chef des AOL-Weblog-Netzwerkes Weblogs Inc., könnnt Google innerhalb der nächsten sechs bis sieben Jahre den Kaufpreis für YouTube wieder einspielen.
YouTube-Usern ist Verkauf egal
Den YouTube-Usern scheint der Verkauf der Site an Google indes egal zu sein. Eine Umfrage in der Online-Ausgabe des US-Technologiemagazins "Wired" kommt mehrheitlich zu dem Ergebnis, dass sich am Videotausch auf YouTube nicht so bald etwas ändern wird.
(futurezone | APA | Patrick Dax)