Iraks TLD, die Hamas und Saudi Bin-Laden
Theoretisch hat auch der Irak seine eigene Landes-Domain ".IQ". Praktisch wurde aber nie eine Adresse mit dieser Endung vergeben.
Auf der Suche nach den Ursachen für diese derzeit höchst symbolträchtige Tatsache stößt man allerdings schnell auf einen Komplex, der Raum für vielfältige Spekulationen im Zusammenhang mit dem US-Krieg "gegen der Terror" und militanten arabischen Organisationen bietet.
Die IQ-Domain gehört einem Herrn Saud Alani in Richardson, Texas, als dessen Adresse die Firma InfoCom angegeben wird, die [theoretisch] auch für die technische Vergabe der Irak-Domains zuständig ist.
InfoCom wurde allerdings schon fünf Tage vor dem 11. September 2001 vom FBI durchsucht und der Betrieb lahmgelegt und seit dem letzten Dezember sind praktisch alle Mitarbeiter in Haft - ihnen werden in einer 33 Punkte umfassenden Anklage unter anderem Geldwäsche, die illegale Ausfuhr von Computern an Libyen und Syrien und schließlich die Finanzierung von Terrorgruppen vorgeworfen.
Andy-Müller Maguhn, einer der gewählten ICANN-Direktoren zur Irak-TLD: "Soweit ich das richtig sehe, hat der derzeitige Betreiber der irakischen TLD .IQ, Saud Alani, keinen Vertrag mit ICANN. Ich kann daher derzeit nur vermuten, dass es sich bei Herrn Alani noch um einen 'registry operator' handelt, der aus der Zeit von Jon Postel den Betrieb der .IQ-Domain zugewiesen bekommen hat und möglicherweise irgendwelche Kontakte in den Irak oder zur irakischen Regierung hat oder hatte."

Paranoia
InfoCom hat seinen Kunden nicht nur als Provider Dienste angeboten, sondern auch die "schlüsselfertige" Lieferung von Provider-Infrastrukur - und zwar explizit "weltweit".
Pikanterweise hat InfoCom bis zum September 2001 auch die Site des wichtigsten arabischen Nachrichtenkanals "Al-Jazeera" gehostet, die damit kurz vor dem 11. September kurzfristig offline gehen musste.
Neben zahlreichen anderen arabischen und muslimischen Initiativen und Vereinen hatte bzw. hat InfoCom aber noch weitere prominente Kunden: So ist die Domain "binladen.com" immer noch über die Firma registriert, wobei als Registrierender schlicht "Binladen" angegeben ist und die dazugehörende Adresse mit der InfoComs identisch ist.
Laut US-Quellen ist hier allerdings nicht Osama Bin-Laden gemeint, sondern die Holding der Familie des meistgesuchten Terroristen, die sich offiziell von ihm distanziert.
Die offizielle Haupt-Site der Saudi Bin Ladin Group lautet seit 1998 "sinsal.com" Der Hinweis "BINLADEN2-DOM" im Whois von "binladen.com" deutet allerdings genau wie die im Westen übliche Schreibweise auf die Funktion als US-Zweigstelle hin.

Krimineller oder politischer Hintergrund
Schon die Durchsuchung der InfoCom-Geschäftsräume durch eine 80 Mann starke amerikanische Anti-Terroreinheit hat in der arabischen Community weltweit Proteste hervorgerufen: Verschiedene muslimische Organisation in den USA sowie "Al-Jazeera" sprachen von einer "Hetzjagd", die sich gegen die gesamte arabische Welt richte.
"Das Ganze hat nichts zu tun mit anti-islamischen oder anti-palästinensischen Angelegenheiten", meinte dagegen Special Agent Lori Baily, Pressesprecherin des FBI-Büros in Dallas. "Das ist eine Kriminaluntersuchung - keine politische. Wir hoffen, Beweise für kriminelle Aktivitäten seitens InfoCom zu finden."
"Wir haben nichts zu verbergen. Wir kooperieren zu 110 Prozent mit dem FBI", so InfoCom-Anwalt Mark Enoch 2001. "Schlechte Informationen" seien wahrscheinlich der Auslöser für die Durchsuchung gewesen.

Verhaftungen
InfoCom wird praktisch als Familienunternehmen betrieben: CEO ist Bayan Elashi, der auch technischer Ansprechpartner für die Irak-Domain ist.
Vizepräsident ist sein Bruder Ghassan Elashi, der auch Vorsitzender der "Holy Land Foundation" ist, die dem FBI als Hamas-Tarnorganisation gilt und als Wohltätigkeitsorganisation jährlich zweistellige Millionenbeträge in den USA gesammelt hat, die Palästinensern im nahen Osten zugute kommen sollen.
Daneben sind noch weitere Elashi-Brüder in der Firma aktiv, sowie eine Cousine, die mit dem führende Hamas-Mitglied Mousa Abu Marsuk verheiratet ist, der sich in Syrien aufhält. Abu Marsuk hat zudem nach FBI-Anagben 250.000 USD in das Unternehmen investiert.
Die InfoCom-Site ist trotz der Durchsuchung und der Verhaftung der kompletten Familie noch online.

Festnahmen
Im Februar 2002 wurde dann zunächst Ihsan "Sammy" Elashyi verhaftet, weil er trotz dem Entzug der InfoCom-Export-Erlaubnis im September 2001 weiter Ausfuhren von IT-Produkten in arabische Länder abwickelte. Die US-Behörden gingen dabei davon aus, dass seine neue Firma Tetrabal in Wirklichkeit ein InfoCom-Ableger war.
Im letzten Dezember wurden schließlich seine vier Brüder, seine Cousine sowie ein weiterer InfoCom-Angestellter verhaftet. Gegen Abu Marsuk wurde ebenfalls ein Haftbefehl erlassen, der allerdings nicht ausgeführt werden konnte, da dieser sich weiterhin in Syrien aufhält.
Die Festnahmen waren immerhin so wichtig, dass US-Justizminister John Ashcroft sie persönlich vor der Presse bekannt gab. Den Angeklagten warf er unter anderem vor, illegal Computer und Computerteile an Libyen und Syrien geliefert, Geld für die Hamas gesammelt und gewaschen, sowie Gelder an unbekannte Empfänger im Jemen transferiert zu haben.
Mussa Abu Marsuk wies umgehend Vorwürfe der USA zurück: Er und seine Familie seien nicht in Geldwäsche und Terrorfinanzierung verwickelt. Es gebe keine Verbindung zwischen der Computerfirma, bei der die Verwandten arbeiteten, und der Hamas, sagte Abu Marsuk in Damaskus. Abu Marsuk war 1995 von den USA ausgewiesen worden und lebt seitdem in Syrien. Er wirft den USA vor, aus politischen Gründen gegen dort lebende Araber und Muslime vorzugehen.