Bwin in den Mühlen der US-Politik
Die Unterzeichnung eines Gesetzes gegen Online-Glücksspiel durch US-Präsident George W. Bush am Freitag steht im Schatten des Casino-Skandals in den USA. Bestochene Abgeordnete, betrogene Ureinwohner und ein Mord im Mafiastil erklären, warum das Klima für Unternehmen wie bwin in den USA feindlich ist.
Briten und Österreicher ziehen ab
Am Freitagabend hatte Bush ein Gesetz in Kraft gesetzt, das es praktisch unmöglich macht, Glücksspiele via Netz an US-Bürger anzubieten. Der Zahlungsverkehr mit internationalen Glücksspielanbietern für US-Banken und Kreditkartenfirmen ist ab sofort verboten, den Betreibern drohen hohe Strafen.
Wenig später erklärten bwin und eine Reihe von britischen Online-Glücksspielanbietern - Sportingbet, Leisure & Gaming und Empire Online - ihren Abzug vom US-Markt.
Nur noch Spielgeld im Pokerroom
Vor weniger als einem Jahr hatte bwin den US-Pokerbetrieb Ongame um mehr als 470 Millionen Euro übernommen, etwa die Hälfte davon wurde bar bezahlt.
Auf PokerRoom.com und anderen Websites der Ongame darf nach dem neuen Gesetz nur noch um Spielgeld gezockt werden - und solches ist die gesamte US-Akqusition wohl nur noch wert.
Ausbruch des Casino-Skandals
Die Übernahme startete in einem Klima, das sich für Glücksspiele in den USA bereits radikal verschlechtert hatte. Mit der Verhaftung des prominenten Lobbyisten Jack Abramoff im August 2005 brach ein seit März 2004 schwelender Skandal aus.
In dessen Zentrum stehen republikanische Kongress-Abgeordnete und "analoge" US-Spielcasinos, solche aus dem wirklichen Leben.
Bestechung mit Spiel-Chips
Am selben Tag, an dem Bush das Aus für Online-Glücksspiel in den USA verkündete, hatte sich der republikanische Abgeordnete Robert Ney für schuldig erklärt.
Ney hatte im Austausch gegen versteckte Lobby-Arbeit für die Betreiber von US-Casinos Flugreisen und andere Einladungen, aber auch Spielchips im Wert von zigtausenden Dollar angenommen.
Der Fall Abramoff
Die wichtigsten Kunden Abramoffs waren nämlich Besitzer von Spielcasinos, die in den USA durch einzelne Bundesstaatsgesetze gedeckt - Las Vegas in Nevada zum Beispiel - ein Nischendasein führen. An sich ist nämlich alles Glücksspiel mit echtem Geld in den USA eigentlich illegal.
Abzocke von "Indianern" ...
Zu den wichtigsten Casino-Betreibern gehören mittlerweile die "Chiefs" der "Indianer" genannten Ureinwohner, die in ihren Reservaten bis zu einem gewissen Grad autonom agieren können.
Und diese Chiefs wurden von Abramoff böse abgezockt, 45 Millionen Dollar sollen alleine von vier Stammesgemeinschaften an Abramoff und seine Komplizen geflossen sein.
... durch doppeltes Spiel
Die Gegenleistung der Politik: Mithilfe bei der Abwehr von Gesetzesinitiativen gegen Glücksspiel, beziehungsweise dem genauen Gegenteil. Politische Initiativen gegen neue Casinos unterstützte Abramoff gezielt, wenn seine Kunden im betroffenen Bundesstaat bereits eingesessene Casino-Betreiber waren, die keine Konkurrenz brauchen konnten.
Ein Teil des Geldes ging für Wahlkampfspenden, Golfausflüge nach Europa, Kreuzfahrten und anderes hinaus, die betroffenen Kongressabgeordneten sind allesamt Mitglieder der Republikanischen Partei.
Ein Mord im Mafiastil
Abramoff ist in einem Fall mittlerweile wegen Betrugs zu fünf Jahren Haft verurteilt. Mit Kompagnons hatte er die SunCruz-Casinos von einem Geschäftsmann namens Konstantinos Boulis 2001 erworben.
Dabei handelt es sich um eine Flotte von elf Kreuzfahrtschiffen, die außerhalb der US-Hoheitszone kreuzen und ausschließlich dem Ausleben der Spielwut dienen. Kurze Zeit nach dem Kauf brach Streit aus, als eine gefälschte Bankgarantie Abramoffs über 23 Millionen Dollar platzte.
Wenig später wurde Boulis in seinem Wagen von Kugeln durchsiebt aufgefunden. Drei Mitglieder des berüchtigten Gotti-Clans sitzen deswegen seit 2001 in Untersuchungshaft.
Politische Rutschpartie ...
Dass nun von Bush öffentlichkeitswirksam gegen Internet-Glücksspiel losgeschlagen wird, ist also im Lichte der bevorstehenden US-Kongresswahlen im November zu sehen, die für die Republikaner zu einer Rutschpartie zu werden drohen.
Sogar gestandene republikanische Haudegen wie Conrad Burns aus Montana müssen wegen des Casino-Skandals nach mehr als einem Jahrzehnt um ihren Wiedereinzug in den Kongress fürchten.
... am medialen Schlammvulkan
Mitten in den Ausbruch dieses medialen Schlammvulkans aus Offshore-Spielcasions, Bestechung von Kongressabgeordneten, Erpressung und einer Liquidierung im Mafiastil investierte man bei bwin also massiv in den nordamerikanischen Online-Glücksspielmarkt, der seit Freitag nicht mehr existiert.
Gerade ein halbes Jahr nach der Ongame-Übernahme durch bwin, nämlich ab Juli 2006, wurden die Chefs der britischen BetOnsports und Sportingbet nacheinander in den USA verhaftet, dann wurden die bwin-Geschäftsführer während ihrer Pressekonferenz in Frankreich abgeführt. Dazwischen entzog ein deutsches Bundesland nach dem anderen bwin die Lizenz zum Wetten oder erließ Werbeverbote.
Das konzertierte Vorgehen gegen Internet-Glücksspiel haben sich die USA, Frankreich und Deutschland ganz offensichtlich auf dem G-8-Gipfel in St. Petersburg Mitte Juli ausgemacht, das Thema wurde beim Treffen der Finanzminister hinter verschlossenen Türen diskutiert.
Frankreich, Deutschland, USA
Der Grund, warum Frankreich und Deutschland - nicht aber Großbritannien, das reich an Online-Zockern ist - gemeinsam mit den USA losschlagen, ist ein praktischer. In beiden Ländern besteht zwar ein Glücksspielmonopol, doch unilaterales Vorgehen dagegen hatte sich bis dahin als zu wenig aussichtssreich dargestellt.
Der Vorstoß der US-Seite kam den Regierungen daher gelegen.
Die Wiener Staatsanwaltschaft meinte auf Anfrage von ORF.at, man könne derartige Verstöße nicht verfolgen, da das österreichische Strafrecht ein zu geringes Strafausmaß für dieses Delikt vorsehe, um länderübergreifend verfolgen zu können.
Abramoff, Contras, Mudschahedin
Der aus einer konservativen Familie stammende Abramoff hatte schon früh gezeigt, dass er wenig Berührungsängste hat. 1985 war er in der Bewegung "Citizens for America" aktiv, die Gelder zur Unterstützung der rechtsgerichteten Contra-Rebellen in Nicaragua sammelte.
Die Militärs John Poindexter und Oliver North nutzen dieses Geld, um damit illegale, aber hoch lukrative Waffengeschäfte mit dem Iran zu finanzieren.
Unter dem Dach der "International Freedom Foundation" trafen auf einem von Abramoff mitorganisierten Kongress Contra-Partisanen mit Unita-Rebellen aus Angola und afghanischen Mudschahedin zusammen. Letztere waren damals noch Verbündete im Kampf gegen die Sowjetunion, die Afghanistan besetzt hatte.
(futurezone | Erich Moechel)