Endemol: "Big Brother" in "Second Life"
Ab erstem Dezember will die niederländische Produktionsfirma Endemol ihre Erfolgsshow "Big Brother" in der virtuellen Welt "Second Life" stattfinden lassen. Die Spieler müssen pro Tag mindestens acht Stunden eingeloggt sein.
Wie "Big Brother"-Erfinder Endemol am Montag bekannt gab, ist die Firma schon dabei, ein Avatar-Casting für die 15 Teilnehmer aus drei verschiedenen Zeitzonen zu veranstalten, die in etwa drei Wochen in das "Big Brother"-Haus in "Second Life" einziehen sollen.
Digitale Insel als Hauptgewinn
Beim Finale am 31. Dezember erhält die in den bei "Big Brother" üblichen Abstimmungen zur beliebtesten Nicht-Person gewählte Figur den virtuellen Hauptgewinn: eine unbewohnte Insel in "Second Life", die allerdings bei den dortigen Bauland-Preisen eine Menge Spielgeld wert sein dürfte.
Der US-Kongress untersucht nicht umsonst seit geraumer Zeit, ob solche Geschäfte in virtuellen Welten in Zukunft steuerpflichtig sein sollen.
Endemol will eigene Communitys
Die Endemol-Pressemeldung zitiert den Regisseur Paul Römer: "Die Rolle von Online-Gemeinschaften wird immer wichtiger. Als Produzenten crossmedialer Inhalte stellt dieses Projekt für uns eine prächtige Chance dar, die virtuelle Welt kennen zu lernen. Diese Erfahrungen wollen wir dazu nutzen, selbst Online-Communitys zu entwickeln. Big Brother ist dafür ein ausgezeichnetes Format."
Endemol ist eine der größten Produktionsfirmen der Welt. 75 Prozent des an der Amsterdamer Börse notierten Unternehmens gehören dem spanischen Kommunikationskonzern Telefónica, der im Jahr 2000 ursprünglich 99,7 Prozent der Endemol Holding übernommen hatte.
"Big Brother" unter Kritik
Römer war übrigens schon Erfinder der ersten "Big Brother"-Show, die im September 1999 in den Niederlanden zum ersten Mal ausgestrahlt wurde und Anfang 2000 schnell in ganz Europa zum TV-Superhit avancierte.
Die Show funktioniert einfach. Eine Gruppe möglichst verschiedener Zeitgenossen wird in ein total überwachtes Haus gesperrt. Alle 14 Tage dürfen die Zuschauer dann einen der Bewohner per Telefonabstimmung aus dem Haus werfen.
"Big Brother" stand von Anfang an unter heftiger Kritik, vor allem von Politikern. In Deutschland unterstellte der damalige Bundesinnenminister Otto Schily [SPD] Anfang 2000 dem Format eine mögliche Verletzung der Menschenwürde. Aber auch die zu Beginn schlechte Presse half "Big Brother". Schnell schossen Klone wie "Girlscamp" [Sat.1] "House of Love" [RTL2] und "Taxi Orange" [ORF] aus den Studio-Böden. Auch die aktuellen Casting-Shows wie "Starmania" verdanken "Big Brother" einiges.
"Big Brother" war, bei aller oberflächlichen Idiotie, schon immer auch eine Satire auf Überwachungswahn und brutale gesellschaftliche Auslese. Außerdem steht das Konzept für totale Kommerzialisierung aller verfügbaren Medienkanäle. Dass die Show jetzt auch in der Meta-Gesellschaft "Second Life" als Karikatur ihrer selbst auftaucht, ist kein gutes Zeichen für Online-Gemeinschaften.
(futurezone | Günter Hack)