Das E-Mail-Dilemma der US-Militärs
Das US-Militär befindet sich derzeit in einem regelrechten E-Mail-Dilemma:
Seitdem die elektronische Post im Afghanistan-Feldzug das Telefon endgültig als bevorzugtes Kommunikationsmedium der Soldaten mit ihren Familien und Freunden abgelöst hat, wird einerseits von alle Seiten betont, wie wichtig der Mail-Zugang für die Moral der Truppen und der Angehörigen ist, andererseits wird befürchtet, dass ein freier Informationsfluss zu einem ernsthaften Sicherheitsproblem werden könnte.
Wie hilflos das Pentagon dem Phänomen gegenübersteht, welches das Potenzial hat, die offizielle Informationspolitik zu unterlaufen, wird allein schon dadurch deutlich, dass es keine einheitlichen E-Mail-Regeln gibt:
Die Mails der U-Boot-Mannschaften werden immer gefiltert, in den anderen Truppenteilen gibt es normalerweise fast keine Zensur. Bei den meisten Truppen, die um den Irak zusammengezogen sind, entscheiden derzeit noch die Divisionskommandeure, wie mit der Post zu verfahren ist.
Immer mehr Soldaten üben ihren Beruf auch direkt am Rechner aus:
Mit dem Internet Explorer Krieg führenAngst vor dem Forward-Button
Die Air Force hat letzte Woche zum ersten Mal angekündigt, dass es zu E-Mail-Restriktionen kommen könnte.
Der Grund für die Zurückhaltung bei der Zensur ist die Moral der Truppen: In US-Medien werden immer wieder rührende Einzelbeispiele von Soldaten und deren Eltern kolportiert, die via E-Mail den Kontakt halten und so die psychische Belastung des Einsatzes fern der Heimat besser bewältigen.
"Es steigert eindeutig die Moral", gab beispielsweise der Golfkriegsveteran Mark Goode, der selbst jede Woche E-Mails an seine Familie schrieb, schon vor rund einem Jahr in Afghanistan zu Protokoll.
Das Pentagon befürchtet unterdessen, dass Mails an "Irak-freundliche" Adressaten weitergeleitet werden oder dass mitgeschickte Bilder im Web publiziert werden. Zum letzten Mal erlebte das US-Militär dabei ein PR-Desaster, als ein Soldat Bilder vom Gefangenentransport von Afghanistan nach Kuba ins Netz stellte.
"Wenn man an ein Internet-Cafe denkt, denkt man automatisch auch an Musik und Kaffee. Hier sieht das natürlich etwas anders aus. Hunderte Fliegen, der Staub und das ständige Dröhnen der Hubschrauber bestimmen hier eher die Atmosphäre", beschrieb Netzwerk-Spezialist David Hamilton das erste
Internet-Cafe für Soldaten in AfghanistanNetz als große Sicherheitslücke
Das Pentagon hat allen Grund, an der Informationsdisziplin seiner Soldaten zu zweifeln: Sogar auf den Internet-Seiten des US-Militärs erscheint zu viel sensibles Material.
Diese permanente Sicherheitslücke hat erst im Jänner US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld dazu veranlasst, seine Truppen in einer Direktive nochmals auf die bestehenden Sicherheitsrichtlinien hinzuweisen.
Andernfalls werde das Internet-Angebot zu einer leicht verfügbaren Informationsquelle für die Feinde der USA, so die Befürchtungen.
Zu viele sensible US-Militärinfos im NetzDezentrale Berichterstattung
Das E-Mail-Problem beleuchtet exemplarisch, wie neue Kommunikationstechnologien den Militärs Chancen bieten und gleichzeitig neue Risiken entstehen.
In einem möglichen neuen Golfkrieg muss das Pentagon wegen augenscheinlich fehlender Planung improvisieren und entweder in kürzester Zeit eine Methode finden, wie die E-Mail-Massen effizient kontrolliert werden können, oder aber die Moral durch einfache, aber weit reichende Restriktionen schwächen.
Die US-Militärs wollen in einem möglichen Irak-Krieg auch selbst eine neue, billige und dezentrale Kommunikations- bzw. Propagandatechnik zum Einsatz bringen:
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