"Kastrationsangst" bei Windows Vista

10.11.2006

Auf einer Werbetour für das neue Betriebssystem Windows Vista hat sich Microsoft-Gründer Bill Gates über die Konkurrenz beschwert, die Vista "kastrieren" wolle. Diese Gefahr scheint gebannt, doch nun folgt die größte Herausforderung: der Kunde.

Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass Vista Gold-Status erreicht hat, sprich fertig ist und ausgeliefert werden kann. Bis dahin musste Microsoft aber schon einige Klippen umschiffen.

"Die Konkurrenz hat versucht, die Regulatoren zu einer Kastration des Produkts zu bewegen", so Gates im Rahmen seiner aktuellen Werbetour durch Europa. Sie seien aber größtenteils gescheitert, Vista habe die Angriffe überlebt.

EU-Kommission als Kontrahent

Er spielte damit auf die Auseinandersetzung mit der EU-Wettbewerbsbehörde an, die Microsoft bereits im Vorfeld wegen möglicher Kartellrechtsverletzungen durch das neue Betriebssystem verwarnt hatte.

Gerade die Integration neuer Features, eines neuen Sicherheitssystems und die neue Rechtevergabe innerhalb des Systems, auf die Microsoft selbst besonders stolz ist, hatte die Konkurrenz und in weiterer Folge die EU auf den Plan gerufen.

Hersteller von Sicherheitssoftware wie McAfee beschwerten sich in ganzseitigen Zeitungsannoncen, dass Microsoft anderen Software-Herstellern den Zugang zu Vista und seinem Herzstück, dem Kernel, verweigere.

Streit über Sicherheitsfunktionen

Microsoft habe jeden Schritt der Sicherheitsfunktionen bei Windows Vista mit der EU-Kommission besprochen, so Gates weiter, der betonte, dass Vista von der langen Debatte mit der EU-Kommission nicht fundamental berührt worden sei.

Dennoch: Um die Zweifel der Kommission zu entkräften hat Microsoft vor kurzem angekündigt, in Europa ein abgeändertes Vista auf den Markt zu bringen. Laut Hersteller wurden Internetfunktionen, das Erstellen fixer Dokumente [wie Adobes pdf-Format] und Sicherheitsfunktionen geändert.

Die EU-Kommssion hatte Microsoft 2004 wegen Kartellrechtsverletzungen bei Windows XP zu einer Strafe von 497 Mio. Euro verurteilt. Grund war die Integration von hauseigenen Microsoft-Produkten wie dem Media Player, der Produkte der Konkurrenz verdrängen sollte, so der Vorwurf der EU.

Kunden als größte Hürde

Trotz aller offensichtlichen Freude über die Fertigstellung von Vista, beginnt jetzt die wirkliche Herausforderung für das neue Betriebssystem.

Seit dieser Woche ist Vista fertig und wird Ende November bzw. Ende Jänner an Geschäftskunden und Privatnutzer ausgeliefert. Doch nun müssen diese überzeugt werden, dass sie auf Vista umsteigen sollen.

Das wird, wie schon bei Windows XP, nicht ganz einfach werden: Auch XP hatte lange Zeit mit seiner Vorgängerversion, Windows 98, zu kämpfen. Selbst Jahre nach dem XP-Launch lief auf zahlreichen Rechnern noch Windows 98, ganz im Sinne von: Never touch a running System.

Um die im Vergleich kurze Entwicklungszeit zu kompensieren, lud Microsoft zum größten Betatest in der Geschichte des Unternehmens ein: Tausende Nutzer weltweit wurden aufgefordert, die jeweils zwei veröffentlichten Betaversionen und Release Candidates auf ihren Rechner zu installieren und dazu Feedback zu liefern.

Rettungsversuche mit Coupons

Die Verzögerung und die Hardwareanforderungen von Vista machen die Überzeugungsarbeit zudem nicht leichter: Das Weihnachtsgeschäft bei Privatkunden versäumt Microsoft und verärgerte damit auch die Hardwarehersteller. Dem wird versucht mit Coupons für Updates und dem Vista-Capable-Programm zu entgegnen.

Firmenkunden sind üblicherweise ohnedies viel vorsichtiger bei Umstiegen - niemand kann sich einen Produktionsausfall wegen neuer Software leisten.

Zuletzt räumte Microsoft noch einen weiteren Stolperstein aus dem Weg und änderte die Lizenzen für Windows Vista. In einer ersten Version wurde nur die einmalige Vista-Installation auf einer Hardwarekonfiguration erlaubt - ein Aufschrei der als Meinungsmacher nicht zu unterschätzenden Gruppe der Hardwarebastler folgte prompt.

Microsoft hat Angang November die Lizenzbedingungen für Windows Vista publiziert: Die mehrmalige Übertragung von einem Rechner auf einen anderen ist demnach möglich, außer bei Upgrades.

(AP | futurezone)